Das Phänomen der Pick-Up-Artists (PUAs), zu Deutsch: Aufreißkünstler, ist kein neues. Bereits in den 1980er Jahren erschien das Buch „How to Get the Women You Desire into Bed“ von Ross Jeffries. Im Jahr 2005 brachte der „Rolling-Stone“-Autor Neil Strauss den Bestseller „The Game“ heraus, für das er sich nach eigenen Angaben mittlerweile schämt. Solche Bücher legten das Fundament für eine PUA-Szene, die sich immer weiterentwickelte und sich von den USA aus global ausgebreitet hat. International erlangte der US-Amerikaner Daryush Valizadeh aka „Roosh V“ Bekanntheit. Er plädierte u. a. dafür, Vergewaltigung auf privatem Gelände zu legalisieren und betrieb bis Ende 2023 ein Onlineforum, in dem er seine misogynen, antisemitischen und homofeindlichen Inhalte verbreitet hatte. Mittlerweile soll er zu Gott gefunden haben und sich ebenfalls für seine Publikationen schämen. Bekannt ist auch der Schweizer Julien Blanc, der auf YouTube mit einer Vergewaltigung prahlte, unter dem Hashtag #Chokinggirlsaroundtheworld Gewalt gegen Frauen normalisierte und mittlerweile in mehrere Länder nicht mehr einreisen darf (1). „Julienhimself“, wie er sich nennt, ist bis heute aktiv und bezeichnet sich jetzt als „Motivational Speaker“ und „Transformational Coach“.
Deutsche Pendants: Mischke, Pütz und Hoffmann
In Deutschland erschien bereits 2010 das autofiktionale Buch „In 80 Frauen um die Welt“ von Thilo Mischke, das Ende 2024 noch einmal durch die Schlagzeilen ging. Da wurde bekannt, dass Mischke die Nachfolge von Max Moor beim Kulturmagazin „Titel, Thesen, Temperamente“ antreten sollte. Die Diskussion (2) um den krassen Sexismus Mischkes musste zwar – wie so oft – von feministischen Journalist*innen angestoßen werden, führte aber dazu, dass er den Posten am Ende nicht bekam.
Hierzulande gelten Arne Hoffmann, ein maskulinistischer Schreiberling, und der dauerentrüstete Maximilian Pütz als Begründer der Pick-Up-Szene. Zusammen brachten die beiden 2011 das Buch „Der perfekte Eroberer: Wie Sie garantiert jede Frau verführen – die bessere Strategie“ heraus. Laut Franziska Schutzbach, einer Geschlechterforscherin und Soziologin, lautet ihre dort vertretene „Philosophie“, dass ein Mann jederzeit Anspruch auf Sex hätte (3). Männer müssten zudem eine dominante ‚Alphamännlichkeit‘ entwickeln, um erfolgreich bei Frauen zu sein (s. Kap. Männlichkeit). Pütz und Hoffmann etablierten Coaching-Angebote und brachten das Pick-Up-Konzept nach Deutschland. Heute gibt es im ganzen Bundesgebiet zahllose, überwiegend männliche Anbieter, die sich ‚Flirt‘- oder ‚Dating-Coach‘ nennen und ihren Schülern manipulative Techniken vermitteln (s. Kap. gewaltvolle Flirts). Einige dieser Akteure werden in diesem Beitrag vorgestellt, wobei besondere Aufmerksamkeit auf denen liegt, die in und um München aktiv sind.
Charly Imsel – der übergriffige Sexist
Charly Imsel ist in der Regel in der Innenstadt unterwegs, auf seinen Videos sieht man ihn mit seinen Kunden in der Fußgänger*innenzone oder am Stachus. Neben Videos von Anquatschversuchen seiner Schüler vermittelt er auf seinem YouTube-Kanal sexistisches, übergriffiges Verhalten gegenüber Frauen. Imsel beschreibt in einem Video, wie er Frauen dazu bringt ihn zu küssen:
„[Du] lässt die Hand nicht mehr los, ziehst sie [Anm. die Frau] vielleicht in die andere Richtung oder nimmst sie in den Arm. Gehst vielleicht den nächsten Schritt und küsst sie, indem du sie in den Hals beißt. […] Nimmst ihr Kinn, rückst es dir zurecht und gehst für den Kuss. […] Wenn sie wegzieht, also Nein sagt, machst du das Ganze später nochmal und löst die Situation auf, indem du sagst: Ey, du dachtest doch nicht, dass ich dich küssen will, ich wollte dich nur abschlecken, denn ich bin ein Hund.“ (4)
Grenzen akzeptiert Imsel also nicht. Ein Nein ist für ihn kein Nein, es sei lediglich ein „noch nicht jetzt“. Frauen, die ihn nicht küssen wollen, seien entweder schüchtern oder wären aus seiner Sicht nicht ganz richtig im Kopf. Obwohl er sein Unwesen in München treibt, sitzt Imsels Unternehmen „Charly Imsel LLC“ in den USA.
Maximilian Pütz – der misogyne Hutbürger
Während der Corona-Pandemie vollends abgeschmiert ist der bereits schon erwähnte Maximilian Pütz. Der 1978 geborene Pütz ist nach eigenen Angaben seit über 20 Jahren im Geschäft und zieht verzweifelten Männern mit verschiedenen Workshops, Einzel- bzw. Telefon-Coachings, Onlineangeboten und Büchern das Geld aus der Tasche. Seit Juni 2023 ist Pütz für das extrem rechte Magazin „Compact“ von Jürgen Elsässer tätig, der 2018 formulierte, dass es „Aufgabe der oppositionellen Medien“ sei, „zum Sturz des Regimes beizutragen“ (5). Als vermeintlicher Experte für Geschlechterfragen (*lol) verbreitet Pütz im Namen von „Compact“ in kurzen YouTube-Videos einschlägige sexistische, misogyne und antifeministische Inhalte. So bewarb er die extrem rechte Astroturfing-Kampagne „Stolzmonat“, sprang Lindemann, Mockridge, Sellner, Rubiales oder auch Gottschalk bei, findet die AfD richtig dufte und offenbart damit sein extrem rechtes und antifeministisches Weltbild.
Pütz und das, was er von sich gibt, ist voller Widersprüche: Obwohl er in vielen seiner Videos auf dicke Hose macht, suhlt er sich gern in der Opferrolle, fühlt sich angegriffen vom „modernen Feminismus“ und verbreitet trotz seiner angeblichen jahrelangen Erfahrung furchtbar dumme Stereotype über Frauen, die er ausschließlich mit „der Natur“ begründet. Pütz bietet Workshops in München und anderen Städten an. Sein Unternehmen hat der Trump-Fan passenderweise in Florida, USA angemeldet.
Guido Celli – der cringe Pausenclown
Wer sich einmal ordentlich fremdschämen möchte, geht auf die Webseite von Guido „Venice“ Celli Urbani aka „Der Italiandatingexpert“. Sein Content richtet sich laut Webseite an jene Männer, die „Champions-League-Sieger-Level“ erreichen möchten und ist derart peinlich, dass Celli eine Erwähnung in dieser Publikation eigentlich nicht verdient hat. Aber ein bisschen Spaß muss schließlich sein. Gehen wir rein: Vor einigen Jahren kündigte Celli nach eigenen Angaben aus antikapitalistischen Gründen seinen Job. Nachdem er seiner „Ausbeutung in Form von Lohnsklaverei“ ein Ende gesetzt hatte, nutzte er die freie Zeit, um drei Monate lang täglich Frauen anzusprechen. Es wurden, so erzählt er, 1000 Frauen in 12 Wochen. Was er als Frauenansprecher erlebt hatte, schrieb er nieder und veröffentlichte diese Anekdoten in einem Buch auf dessen Cover – wie könnte es anders sein – eine nackte Frau zu sehen ist. Heute glaubt er bei „fast“ jeder Frau landen zu können, die ihm gefällt und arbeitet dafür mit Erik „Mystery“ von Markovik und „den besten Verführungskünstlern“ zusammen. Das alles wäre zum Lachen, wenn er nicht auf TikTok empfehlen würde, Frauen mit einemJobangebot zu einem Date zu locken. Celli behauptet, das würde sie „vor Attraction explodieren“ lassen und mit dem Sex würde es vermutlich dann auch klappen. Seine Coachings macht er wohl vor allem in München, sein Unternehmenssitz ist jedoch in Irland.
Daniel Karnatz – der peinliche Dampfplauderer
Der ursprünglich aus Dresden stammende Daniel Karnatz sitzt mit seinem Unternehmen in der Adalbertstraße in München und beschäftigt mehrere Mitarbeiter namens Andreas, Max, Oliver, Christian und Sascha. Anzutreffen sind er, seine Partnerin, sein Team und seine Schüler an zahlreichen Orten in München. Neben seinen Coachings produziert er massenhaft Videos, die an Peinlichkeit kaum zu überbieten sind, weil er einfach ein unfassbarer Wichtigtuer mit – wie er selbst sagt – „Egokomplex“ ist. In einem Video kommentiert Karnatz die Sendung „Männerwelten“, in der sexualisierte Gewalt thematisiert und eingeordnet wurde: So sei es „nicht sinnvoll“, Dickpics an Frauen zu senden, ein „echter Mann“ habe es nicht nötig, Frauen online zu belästigen. Vergewaltigung „raffe er gar nicht“ und die Sendung habe ihm gezeigt, warum er diesen Job mache, denn Männer müssten lernen, wie sie mit Frauen umzugehen haben und sie nicht gleich vergewaltigen.
Michel Vincent – der abgebrühte Abzocker
Ein weiterer in München aktiver sog. ‚Verführungskünstler‘ ist „Michel Vincent“ aka Michel Garin, wie der PUA mit bürgerlichem Namen heißt. Garin sitzt mit seinem Unternehmen „Besseredates GmbH“ in Germering bei München. Mit seinen Schülern ist er in der Münchener Innenstadt unterwegs. Feminist*innen beobachteten ihn am Rindermarkt, als er gemeinsam mit einem Schüler zwei junge Mädchen anquatschte. In einem seiner YouTube-Videos erzählt Garin freimütig, wie er eine ihm unbekannte Frau ungefragt küsst und erläutert Strategien, um ‚Schutzschilde‘ von Frauen zu beseitigen. Darüber hinaus verbreitet er die gleichen pseudo-wissenschaftlichen Inhalte wie viele andere PUAs. Trotz seines grenzüberschreitenden Verhaltens und offensichtlich unfundierten Geschwafels gaben ihm Medien (z. B. Abendzeitung, Süddeutsche Zeitung) die Möglichkeit, seine ekelhafte Ideologie zu verbreiten. Diese Prominenz weiß er zu nutzen. Michel Garin nimmt für die Teilnahme an einem sechsstündigen Seminar „Die Essenz des Flirts“ knapp 200€, ein eintägiges Individualprogramm mit ihm kostet rund 1.800€ und das dreitägige „Gentlemens Bootcamp“ schlägt mit schlappen 3.000€ zu Buche. Darüber hinaus ist er Autor des Buches „Der Verführungscode“ und bildet nach eigenen Angaben selbst PUAs aus.
Royal Campus – Der königliche Krämerladen
Das Unternehmen „Royal Campus“ hat seinen Sitz in Hamburg, ist aber bundesweit aktiv. Neben einem „Premium-Flirtkurs“ für 879€ und den dreimonatigen Premium-Coachings für kapp 2.300€ bietet Royal Campus Publikationen mit lächerlichen Titeln wie „Männlichkeits-Booster“ oder „Charisma-Hypnose für massive Anziehung auf Frauen“ an. Aber natürlich alles „Premium“, genauso wie das Trainer-Team aus Executive Instructor Chris, dem „bodenständigen“ Gründer, Master Instructoren Jannik, mit der „spürbaren Authentizität“, Marcus, dem „Charisma Trainer“, Béla, dem „alten Hasen“ und Senior Instructor Alex, der „wie ein Feuerwerk“ sein soll.
Matthias Pöhm – Der schmierige Widerling
Pöhms Seminare in München waren der Grund für unsere Auseinandersetzung mit Pick-Up-Artists. Wären wir an seinem Wohlbefinden interessiert, wären wir besorgt, denn Pöhm hat in den letzten Jahren körperlich ganz schön abgebaut. Wir sind aber nicht besorgt, da er es offensichtlich immer noch schafft, das Internet mit rassistischen und sexistischen Inhalten zu „beglücken“ oder Klimaaktivist*innen zu dissen. Pöhm, dessen Unternehmen in Bonstetten in der Schweiz angesiedelt ist, verlangt für seine Wochenendseminare „Männlich wirken – natürlich flirten“ in München bzw. Zürich schlappe 1.650€. Über einen Online-Shop vertreibt Pöhm darüber hinaus Bücher aus den Kategorien „Rhetorik“, „Verführung“ oder „Spiritualität“. Ein Buch aus der Rubrik „Verführung“ trägt den Titel: „Ich kann euch alle haben – Der entschlüsselte Verführungscode“. Leser halten Pöhms Geschreibsel für „schrecklich banal“, beschreiben wie Pöhm im Buch Frauen zu konsumierbaren Objekten macht und als „Sexismus vom Feinsten“. Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

Einschreiten und Grenzen aufzeigen!
Es geht darum, diese Sexisten aus der Deckung zu holen und ihnen – wo immer möglich – die Tour zu versauen. Darum rufen wir dazu auf, die Augen offen zu halten und ggf. auch einzugreifen. PUAs sind selten allein unterwegs, sondern eher in sog. ‚Lairs‘ (»),also Gruppen. Wie ihr euch wehren könnt, erfahrt ihr im Kapitel „Was tun?“. Und wer sich nun fragt, warum wir dazu aufrufen, zu diesen Mitteln zu greifen, kann in Kapitel „Normalisierter Frauenhass“ nachlesen, warum die Ideologie von PUAs so problematisch ist.
Es geht darum, diese Sexisten aus der Deckung zu holen und ihnen – wo immer möglich – die Tour zu versauen. Darum rufen wir dazu auf, die Augen offen zu halten und ggf. auch einzugreifen. In den meisten Fällen wissen wir nicht, wo genau die Seminare stattfinden. Hinweise dazu gerne an uns unter asa_m@riseup.net (geht auch verschlüsselt).
1 Der Spiegel 2014
2 Feminist Shelf Control 2024
3 Franziska Schutzbach 2018
4 YouTube-Video von Charly Imsel 2021
5 Der Rechte Rand 2022