Nur Mittel zum Zweck. Die Rolle der Frau in der Welt der ‚PUAs‘ 

Handlungsmacht können sogenannte ‚Pick-Up-Artists‘ (‚PUAs‘) nur insofern erreichen, als dass sie Frauen (1) diese konsequent absprechen. Die ‚Pick-Up‘-Ideologie beruht dabei auf einem eindimensionalen, biologistisch argumentierenden Frauenbild, wobei sie ihren „Objekten der Begierde“ einen natürlich anmutenden Wunsch nach sexueller Reproduktion sowie eine grundsätzliche Freude am vermeintlich „erotischen Spiel“ unterstellen (2). Die Geschlechterwissenschaftlerin Franziska Schutzbach formuliert diesbezüglich treffend:

„Die ‚PUAs‘ vertreten ein aggressives und Hierarchie verherrlichendes Männerbild, das eng verknüpft ist mit einer objektivierenden und abwertenden Perspektive auf Frauen – nicht wenige PUAs legitimieren Gewalt“. (3)  

Warum ‚Pick Up‘ zu einer gefährlichen Normalisierung sexualisierter Gewalt beiträgt

„Eskalier'“ du nur, dann eskaliere ich auch!

Tatsächlich ist beispielsweise das, was Anhänger der ‚PUA‘-Community als „Eskalieren“ bezeichnen, nämlich dass man plötzlich anfängt, das weiblich gelesene Gegenüber an bestimmten Körperstellen ungefragt zu berühren oder zu küssen, nichts anderes als sexualisierte Gewalt. Dass dies durchaus auch in der ‚PUA‘-Szene angekommen ist, zeigt folgender am 9. Juni 2016 in Deutschlands größtem Online-Forum für ‚PUAs‘ (dem Pick Up Forum) veröffentlichte Beitrag von einem User namens Theroffl:

„Der geneigte Zeitungsleser hat vielleicht mitbekommen, dass das Sexualstrafrecht reformiert wird. Ab jetzt ist es als eine Vergewaltigung anzusehen, wenn man gegen den „erkennbaren Willen der Person sexuelle Handlungen vornimmt“. Bis jetzt war dies nur durch Gewalt, Drohung oder Ausnutzung der Hilflosigkeit/ Lage der Person gegeben. Schlichtweg ab jetzt: Nein ist nein. „Eskalieren bis zum physischen Block“, „mit dem Nein will sie dich nur testen, probier weiter“ etc. wäre damit strafbar und im Zweifel die Dame ist euch doch nicht so positiv gesinnt, nicht unter einem Jahr zu ahnden. Wie werdet ihr das handhaben? Wie findet ihr die Reformierung?“ (4)

Das Vorgehen der ‚PUAs‘ lässt kein „Nein“ zu, denn die Fähigkeit, sich bewusst und klar zu artikulieren und zu wissen, was sie wollen, wird weiblich gelesenen Personen systematisch abgesprochen bzw. verwehrt. Vielmehr werden sie als irrationale Wesen und Repräsentant*innen der Natur gesehen; sie sind „ohne eigene Vorstellung“, „von Gefühlen bestimmt und existieren nur bezogen auf Männer“ (5). Ein „Nein“ wird von ‚PUAs‘ in der Regel umgedeutet (etwa als ausgeklügelte Methode der Begehrenssteigerung) und somit übergangen. Es sei ganz normal, das Frauen erst einmal „Nein“ sagen, sie möchten eben nicht als „Schlampe“ gelten. Durch manipulative Techniken soll das Gegenüber schließlich dazu gebracht werden etwas zu tun, das es nicht möchte. Eine Frau trotz eines zuvor geäußerten „Neins“ herumzubekommen – genau darin liegt den Pick-Up-Arschis zufolge die ‚Kunst‘. Wir sagen: Das ist keine Kunst, das ist Gewalt!

Die permanente Be- und Abwertung von Frauen steht bei ‚PUAs‘ an der Tagesordnung

Die von ‚PUAs‘ betriebene Objektivierung der Frauen geht sogar so weit, dass ihr Aussehen bzw. ihre „Qualität“ oder ihr „Wert“ auf einer Skala von eins bis zehn bewertet wird. Während die eins im Pick Up Forum von einem User namens RA als eine „monsterähnliche Mutantin“ beschrieben wird, ist die zehn ein so unerreichbares Ideal, „dass sie gar nicht existieren kann, zumindest nicht in dieser Welt“ (6). Die erfolgreiche „Eroberung“ einer Frau, die in den Augen des ‚PUAs‘ als eine acht oder neun gelesen wird (ab da ist von einem „Hot Babe“ die Rede), ist also mit weitaus mehr Anerkennung verknüpft.

Während sich die ‚PUAs‘ selbst als „Hauptgewinn“ darstellen, werden Frauen zu „Schachfiguren“ degradiert, welche sie lediglich benötigen, um zu Punkten. Abgesehen von dieser sexistischen und frauenverachtenden Wertzuschreibung, ist das weiblich gelesene Gegenüber nach dieser Logik auch „austauschbar […] und als Subjekt zweitrangig“ (7). Oder anders formuliert: nach ‚PUA‘-Logik „existieren [Frauen], um die Überlegenheit der Männer zu bestätigen, sie sind die Folie, vor der Alphamännlichkeit sich generiert“ (8). Diese Grundauffassung bewahrt ‚PUAs‘ weiterhin vor unerwünschten und aus ihrer Sicht hinderlichen emotionalen Verstrickungen oder Abhängigkeitsbeziehungen. Da Emotionalität dem eigenen Spielerfolg im Wege stehen würde, werden Frauen lediglich als das „Mittel zum Zweck“ betrachtet.

Männlicher Opferdiskurs 

Das starre Weltbild der ‚PUAs‘ negiert dabei jegliche Form der strukturellen Unterdrückung oder Benachteiligung von Frauen. Im Gegenteil, weiblich gelesenen Personen wird gar unterstellt, sie hätten in diesem Spiel einen natürlichen Vorsprung bzw. Vorteil (sprich: erotisches Kapital), den sie sich selbst jedoch nie „hart“ erarbeiten mussten (9). So heißt es beispielsweise auch in einem Beitrag von einem User namens Andree am 30.09.2015:

„Wie kann es sein, dass es für Frauen so viel einfacher ist mit ihrer Sexualität zufrieden zu sein als für Männer? Männer müssen sich den Arsch mit PU aufreißen und privilegieren Frauen im sozialen, weil ihnen die Chance auf Sex vorschwebt. Dadurch entsteht soziales Ungleichgewicht.“ (10)

Frauen als Spiegel für die Alphamännlichkeit … no thanks.

Es ist ihm ein Leichtes, die Ursache des „so viele Männer quälenden“ Problems zu identifizieren. „Das Problem ist ein frisches“, meint er, „da in der alten patriarchalischen Gesellschaft das Ungleichgewicht dadurch ausgeglichen wurde, dass Männer einfach generell mehr als Frauen galten, in allen Bereichen. Ausgleich dieser Art ist in der feministischen Gesellschaft nicht mehr möglich“. Deshalb sei es nach ‚PUA‘-Logik nur fair, sich selbst ein paar Asse in den Ärmel zu stecken und jenen Vorsprung durch manipulative Techniken mehr oder weniger „auszugleichen“.Quell

Ziemlich verdrehte Gesellschaftanalyse, denkt man sich da. Mensch könnte wahrscheinlich sogar darüber lachen, wären die Konsequenzen einer solchen Ideologie (siehe auch hier) nicht so gravierend und würden patriarchale Strukturen verfestigen und fortschreiben. Denn indem sich ‚PUAs‘ eine Opferrolle aneignen, die ihnen nicht zusteht, verdecken sie den Blick auf das eigentliche Problem: Die Objektivierung, Unterdrückung von und Gewaltausübung gegen Frauen.


Quellen

(1) Hinweise wie wir gendern, findest Du in der Einleitung.
(2) Vgl. Schutzbach, Franziska (2018): Dominante Männlichkeit und neoreaktionäre Weltanschauungen in der Pick-Up-Artist-Szene. In: Feministische Studien 2(18), S. 309.
(3) Vgl. ebd.
(4) Theroffl (09.06.2016): Neues Sexualstrafrecht. In: Pick Up Forum. (Zugriff am 24.07.2021).
(5) Schutzbach 2018, S. 313.
(6) RA (28.11.2004): Die 10-Punkte Bewertungsskala der Frauen. In: Pick Up Forum, (Zugriff am 24.07.2021).
7 Schutzbach 2018, S. 313.
(8) ebd.
(9) Vgl. Almog, Ran/Kaplan, Danny (2017): The nerd and his discontent: The seduction community and the logic of the game as a geeky solution to the challenges of young masculinity. In: Men and Masculinities 20(1), S. 35.
(10) Andree (30.09.2015): Privilegierte Frauen. In: Pick Up Forum (Zugriff am 24.07.2021).​​​​​​​