Entwicklung der Anti-Choice-Bewegung in der BRD: Ein kurzer Überblick

Immer wenn feministische Debatten um reproduktive Selbstbestimmung und den §218 StGB (siehe auch „Feministischer Widerstand: Weg mit §218“) Fahrt aufnehmen, werden auch AbtreibungsgegnerInnen aktiver. Die Anti-Choice-Bewegung ist daher als Gegenbewegung zu feministischen Kämpfen zu verstehen – ihr antifeministischer Kern wird von Beginn an deutlich.

Ab den 1920ern – Entstehung der Anti-Choice-Bewegung in Wechselwirkung mit feministischen Kämpfen um Emanzipation und Selbstbestimmung

1960er – Formierung von Anti-Choice-AkteurInnen in Europa und den USA als Reaktion auf feministische Kämpfe um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch

1971 – Gründung der ersten Anti-Choice-Gruppen Europas in der Schweiz, wie zum Beispiel „Ja zum Leben“

1970er – Gründung zahlreicher deutscher Anti-Choice-Vereine, wie zum Beispiel ALfA.

1980er – Verschärfung des öffentlichen Diskurses um die Verschärfung bzw. Liberalisierung des §218 StGB. Ein Höhepunkt der Anti-Choice-Aktivitäten stellte 1980 eine Demonstration gegen das geplante Beratungs- und Abtreibungszentrum in Essen mit über 20.000 Teilnehmenden dar. Diese Phase wurde von einer Welle der Neugründungen von Anti-Choice-Vereinen durch eine zunehmende Pluralisierung der Szene begleitet. So gründeten sich in dieser Zeit bspw. die „Juristenvereinigung Lebensrecht“ (1984), „Ärzte für das Leben“ (1991) oder die „Christdemokraten für das Leben“ (1985). Die Pluralisierung führte auch zur Ausweitung der Anti-Choice-Bewegung in das eindeutig extrem rechte Spektrum.

1990er – Die Wiedervereinigung machte eine Neuregelung des §218 StGB nötig. Zu diesem Zeitpunkt trat die personell gut aufgestellte Anti-Choice-Bewegung bereits professionell auf und konnte in dieser Phase als etablierter Akteur vehement in die Debatten um das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche einwirken. Nach der Verabschiedung der Fristenlösung, die gemeinhin als „Kompromiss“ bezeichnet wird, im Jahr 1995 kehrte zunächst Ruhe in die Debatten ein.

Ab den 1990ern – Die Anti-Choice-Bewegung weitet ihren Aktionsradius aus und bespielt nun auch Themen wie Pränataldiagnostik (PND), Präimplantationsdiagnostik (PID), Embryonenforschung, selektive Schwangerschaftsabbrüche und Organspende.

2001 – Gründung des „Bundesverband Lebensrecht“ (BVL)

2002 – erster Vorläufer des „Marsch für das Leben“ in Berlin, welcher seit 2008 jährlich stattfindet. In den darauffolgenden Jahren tauchen weitere Märsche auf: 2008 der erste „1000-Kreuze-Marsch“ in München, später auch in Münster und Salzburg, 2010 der „Schweigemarsch für das Leben“ in Annaberg-Buchholz, 2021 der „Marsch fürs Leben“ in München und 2023 auch ein „Marsch für das Leben“ in Köln.

Heute – mindestens 60 explizite „Lebensschutz“-Gruppen in Deutschland, ca. die Hälfte betreiben Informations- und Lobbyarbeit, die andere Hälfte bietet (persönliche oder telefonische) Schwangeren-Beratungen ohne Beratungsschein an.