2021 haben wir mit dem Zine „Pick-Up-Arschis aufs Maul“ eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Phänomen Pick-Up-Artists (PUAs) veröffentlicht. Weil wir immer wieder angefragt werden, es immer noch kaum umfassende Auseinandersetzungen zu diesem Thema gibt und es uns aber nach wie vor wichtig ist, haben wir uns dazu entschieden, das Zine neu aufzulegen.
PUAs, ihre Aktivitäten und die dahinter stehende Ideologie sind nicht weniger relevant geworden. In unseren Gesprächen ist uns darüber hinaus aufgefallen, dass wir bisher bei der Betrachtung der PUA-Szene die anliegenden Milieus nicht ausreichend berücksichtigt haben und insbesondere den digitalen Raum zu wenig im Blick hatten. Für das neue Zine haben wir uns darum z. B. Social-Media-Accounts angeschaut, die traditionelle Rollenbilder propagieren: also klassische PUAs, Akteure der Manosphere (») und ihre Vorstellungen von Männlichkeit und sog. ‚Tradwifes‘. Uns war wichtig, PUAs nochmal gesellschaftlich besser zu verorten und auf ihr Verhältnis zu anderen AkteurInnen einzugehen.
Deswegen haben wir Kapitel ergänzt und Artikel umgeschrieben. Die überarbeitete und erweiterte Auflage orientiert sich weiterhin eng am Phänomen PUAs. Neu ist ein Interview mit Veronika Kracher und ein Artikel darüber wie PUAs nur die Spitze eines gesamtgesellschaftlichen Problems sind. Das Kapitel zur Ideologie und Männlichkeit haben wir grundlegend überarbeitet, in anderen Artikeln wurden teils nur neue Aspekte oder AkteurInnen ergänzt. Bei einigen Texten hat sich jedoch nicht viel verändert: So haben wir die Kapitel Geld, Sprache und gewaltvolle Flirts nur minimal aktualisiert.
Grundsätzlich wollen wir möglichst niederschwellige Texte schreiben, die auch ohne großes Vorwissen lesbar sind. Die Texte zu Männlichkeit und zu Frauenhass sind jedoch etwas theoretischer und vermutlich komplizierter zu lesen für Menschen, die sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Wir haben natürlich versucht, auch diese Texte so verständlich wie möglich zu schreiben und einige Begriffe im Glossar weiter erklärt. Am Ende jedes Kapitels findet ihr außerdem die Kurzverweise auf die verwendete Literatur. Das Literaturverzeichnis findet ihr hier.
Achja, für die Grafiken haben wir KIs arbeiten lassen.
Zum Begriff Pick-Up-Artist
Bei dem Begriff Pick-Up-Artist (kurz PUA) handelt es sich um eine Selbstbezeichnung einer Community von Männern, die darauf abzielen, systematisch Frauen aufzureißen. In Onlineforen, Videos, Chatgruppen oder auch Seminaren tauschen sich Mitglieder der Bewegung über Strategien und Methoden der ‚Frauenverführung‘ aus. Dabei versuchen sie mit erlernten Techniken auf die Psyche der Frau einzuwirken. Diese Methoden nutzen bewusst gesellschaftlich tief verankerte patriarchale Hierarchieverhältnisse, um weiblich gelesene Personen zu dominieren und sie gegen ihren Willen gefügig zu machen. Die Feministin und Autorin Veronika Kracher bringt es auf den Punkt, wenn sie in der Zeitschrift „Graswurzelrevolution“ schreibt: „Hinter dem schöngeistigen Begriff des ‚Verführungskünstlers‘ oder, im englischen ‚Pick-Up Artist‘, steckt nichts anderes als die widerwärtige und frauenfeindliche Ideologie, dass Frauen nichts anderes seien als Sexobjekte, die einem Untertan gemacht werden müssen.“ (1)
Hierbei wird schon deutlich, dass der von der Szene gewählte Begriff ‚Pick-Up‘, umgangssprachlich übersetzbar mit „die Kunst, Frauen aufzureißen“, ein völlig falsches Bild von dem vermittelt, was PUAs tatsächlich tun: Sie tragen nicht nur zur Normalisierung sexualisierter Gewalt bei, sondern verbreiten auch zutiefst sexistische, antifeministische und frauenfeindliche Positionen und knüpfen an rechte Narrative an. Uns ist es wichtig, den Begriff so einzuordnen, da wir uns im ganzen Zine auf ihn beziehen. Um sichtbar zu machen, dass es sich hierbei um eine Selbstbezeichnung handelt, setzen wir solche Begriffe in der Regel in einfache Anführungszeichen. Für den besseren Lesefluss haben wir uns jedoch dazu entschieden Pick-Up-Artists und Abkürzungen wie PUA nicht in Anführungszeichen zu setzen.
Warum haben wir den Titel geändert?
Im Zuge der Überarbeitung des Zines haben wir den Titel der ersten Auflage („Pick-Up-Arschis aufs Maul“) reflektiert und uns für einen neuen entschieden. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass wir Gewalt nicht per se geil finden und uns bewusst ist, dass das Anwenden von Gewalt etwas mit uns als Menschen macht. Was wir also nicht propagieren wollen, ist loszuziehen und wahllos Typen zu verhauen, ohne dass es notwendig wäre. Auch wenn wir in dem Kapitel „Was tun“ versuchen, einige Anhaltspunkte zu bieten, wie Personen auf sog. ‚Verführungsversuche‘ von PUAs reagieren können, führen wir in diesem Zine keine Debatte wie Frauen und LINTA in übergriffigen Situationen reagieren sollen. Das wollen wir auch gar nicht, denn jede Person kennt ihre eigenen Möglichkeiten und Grenzen am besten. Als Feminist*innen heißt es für uns, solidarisch miteinander zu sein und uns gegenseitig in übergriffigen Situationen zu unterstützen. Mit unserem Zine wollen wir Wissen teilen und dazu beitragen, dass die sexistische und misogyne Ideologie hinter den Machenschaften von PUAs aufgedeckt wird. Um es klar zu sagen – wenn es darum geht, sich zu verteidigen oder zu wehren, dann halten wir auch körperliche Gewalt für ein legitimes Mittel. Wir wollen PUAs das Handwerk legen und hoffen mit unserem Zine vielleicht etwas dazu beizutragen, dass wir uns als Feminist*innen mit möglichen Strategien zur Gegenwehr auseinandersetzen.
Wie wir gendern
Die deutsche Sprache reproduziert leider patriarchale Strukturen und heteronormative Zweigeschlechtlichkeit. Darum gendern wir in der Regel mit dem Gendersternchen, denn wir wollen geschlechtliche Vielfalt abbilden und sichtbar machen. Pick-Up-Artists, AkteurInnen der Manosphere, (extrem) Rechte und andere Arschlöcher gendern wir mit dem Binnen-I, um sichtbar zu machen, dass das Menschen sind, die die Zweigeschlechtlichkeit verteidigen. Sollte in von uns verwendeten Zitaten jedoch anders gegendert werden, übernehmen wir die ursprüngliche Schreibweise. Ab und zu schreiben wir auch ganz bewusst von Frauen und Männern, im Wissen, dass Zweigeschlechtlichkeit zwar sozial konstruiert ist, dennoch aber konkrete Auswirkungen auf die Lebensrealität von Menschen und unsere Gesellschaft hat. Wer sich in die bestehenden Strukturen und Normen einfügt, profitiert, jene, die es nicht tun, werden benachteiligt. Dieses Ungleichgewicht muss benannt und die Ideologie, welche auf biologistischen, göttlichen oder naturrechtlichen Argumentationen beruht, sichtbar gemacht werden. Auch darum schreiben wir in diesem Zine teilweise von Frauen. Wir verwenden bewusst kein Sternchen hinter Frau, da für uns alle, die sich mit der Kategorie Frau identifizieren, Frauen sind.
Bestimmt ist dies alles nicht der Wahrheit letzter Schluss, einige Aspekte hätten sprachlich sicherlich besser gelöst werden können und Sprache entwickelt sich stets weiter. Wir freuen uns entsprechend über Feedback und geben noch den Hinweis, dass dieses Zine Anfang 2025 entstanden ist. Außerdem noch ein großes Danke an Laura für die Unterstützung beim Lektorat und die wichtigen Rückmeldungen!
(1) Kracher 2018