Die extrem rechte Ideologie der Pick-Up-Artists – Normalisierter Frauenhass und das Feindbild der „linken woken Frau“

Die Abwertung von Frauen und Frauenhass sind gesamtgesellschaftliche Phänomene, die sich auf unterschiedliche Arten und Weisen äußern. Gespräche mit unseren Freund*innen über sexistische Erfahrungen in der Lohnarbeit, im öffentlichen Raum und auch in der politischen Organisierung könnten die Grundlage für unzählige Romane sein. Jede*r Fünfte hat bei der letzten Bundestagswahl im Februar 2025 die Alternative für Deutschland (AfD) gewählt. Die Partei wird nicht trotz, sondern u. a. wegen ihrem dezidiert antifeministischen Wahlprogramm gewählt, in dem eine hierarchisch organisierte Zweigeschlechtlichkeit und die Ablehnung von Frauen- und Gleichstellungspolitik propagiert wird. Dies belegen auch die jüngsten, repräsentativen Erhebungen der Einstellungsforschung: Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 zeigt auf, dass 21,3% der Befragten der Ansicht sind, dass durch den Feminismus die gesellschaftliche Harmonie und Ordnung gestört ist (1).Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten haben einen Höchststand erreicht: Fast jeden Tag wird ein Femizid in Deutschland begangen (2). Femizide sind Morde an Frauen als Form der äußersten Zuspitzung kapitalistisch-patriarchaler Gewalt.

Sexismus, Antifeminismus und Misogynie sehen sich keiner gesellschaftlichen Repression oder Grenzen des Sag- und Denkbaren konfrontiert und sind somit nicht an vermeintlichen Rändern in der Gesellschaft zu finden. Dies hat ein Prozess im Dezember 2024 am Amtsgericht München auf der institutionellen Ebene exemplarisch aufgezeigt: Ein Feuerwehrmann gesteht, eine schlafende Freundin missbraucht zu haben. Er wird lediglich zu einer Bewährungsstrafe von elf Monaten verurteilt, da sein Beamtenstatus bei einem höheren Strafmaß gefährdet wäre (3). Dies passiert zu einer Zeit, in der Gisèle Pelicot mit der Forderung, dass die Scham die Seite wechseln muss, international Schlagzeilen macht und für das Thema sexualisierter Gewalt ein Bewusstsein schafft.

„Teil einer patriarchalen Sozialisation [ist] vermittelt zu bekommen, man hätte ein irgendwie geartetes Recht auf weibliche Aufmerksamkeit.“ Das Zitat aus Veronika Krachers Buch „Incels – Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults“ bringt die patriarchale Gesellschaftsordnung auf den Punkt, die auch die Grundlage der Pick-Up-Artist-Szene ausmacht (s. Kap. Gesellschaft). PUAs vertreten und reproduzieren diese Ideologie, „nach der Frauen nichts anderes als Sexobjekte seien, die einem Untertan gemacht werden müssten“4 (s. Kap. Rolle d. Frau). Eine antifeministische Einstellung, gepaart mit der Vorstellung, sich die verlorene männliche Souveränität wieder anzueignen, bietet häufig den Einstiegspunkt in die PUA-Szene (s. Kap. Männlichkeit). Die Soziologin Franziska Schutzbach betont, dass

„[v]om Feindbild eines angeblich grassierenden ,Feminismus’, der Männer klein halte, sei es oft nur ein kleiner Schritt zu der Vorstellung, die Verweichlichung des westlichen Mannes führe zur Schwächung nationaler Souveränität und zur baldigen Machtübernahme durch Muslime. Der norwegische Massenmörder […] argumentierte in seinem Manifest auf diese Weise“ (5).

Antifeminismus bietet aufgrund seiner breiten gesellschaftlichen Akzeptanz einen vermeintlich unpolitischen und niedrigschwelligen Einstieg in das Sammelsurium miteinander verbundener, menschenverachtender Ideologien. Die Online-Community ist häufig auch Einstiegstor in offen extremere Communities, bspw. die der ‚Incels‘ (6).

Das Feindbild der „linken woken Frau“ und rechte Sehnsüchte einer misogynen Witzfigur

Den offen artikulierten Frauenhass, im Besonderen gegenüber „linken woken Frauen“ sowie andere, extrem rechte Narrative wollen wir im Folgenden beispielhaft an einem YouTube-Video des schmierigen PUAs Marko Mitrovic darstellen. Auf seinem Account „Flirt Empire“ diffamiert er Videoreaktionen, die nach dem Wahlsieg des Rassisten und Demokratiegefährders Trump im November 2024 geteilt wurden und offenbart so seine menschenverachtenden Einstellungen.

Das größte Feindbild sind für ihn „linke woke Frauen“, denen er ganz klassisch im Sinne eines stereotypen und dichotomen Geschlechterbildes „übertriebene Emotionalität“, „Infantilität“ und sogar „degeneriertes Gedankengut“ zuschreibt. Er hingegen – mitsamt seiner Followerschaft an misogynen Arschlöchern – argumentiere vermeintlich „faktenbasiert“ und „rational“. Er rät seinen Zuschauern, dass „wenn deine Freundin zum Harris-Lager gehört, setz dich mal mit ihr an den Tisch, red mal ein ernstes Wörtchen [sic!] mit ihr, und sorge dafür [sic!], dass [sie] auf der richtigen Seite steht in Zukunft“. Er suggeriert damit, dass es eine ,richtige’ Seite geben würde und Frauen von dieser nur überzeugt werden müssten. Dieses Frauenbild ist in der PUA-Szene weit verbreitet und fußt auf einem antifeministischen und sexistischem Weltbild. Dieses geht davon aus, dass Frauen von einer starken Hand und dem starken Willen eines Mannes geführt werden müssten. Generell rät er dazu, vor „linken woken Frauen“ wegzurennen und sich anstatt dessen eine „traditionelle Frau“ zu suchen. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass „traditionelle“ Frauen die Meinung von Männern unhinterfragt akzeptieren würden und in Anlehnung an ein klassisches Rollenverständnis ihre Aufgaben als Ehefrau, Mutter und/oder Köchin ausführen würden – und hier gar nichts erst erklärt werden müsste. „Wie du moderne Frauen traditionalisierst“ ist ein weiteres Video auf diesem lächerlichen Kanal, falls es einem an misogynen und rechten Inhalten überhaupt noch fehlen sollte.

Ebenso kein gleichberechtigtes Gegenüber wie Frauen sind für den PUA gewisse Männer, die nicht dem hegemonialen Männlichkeitsbild entsprechen und kein Alpha (s. Kap. Männlichkeit) sind. Er arbeitet sich hierfür menschenverachtend an einem Videos eines dicken US-Amerikaners ab, der sich sehr emotional über den Wahlsieg Trumps zeigt. Er wertet ihn in gleicher Manier wie die Frauen als „unkontrolliert“ und „unmännlich“ ab und kommentiert, dass er zu „wenig Testo“ habe.

Der schmierige Schlaumeier legt in dem Video auch den Grund für Harris‘ Wahlniederlage dar: Sie habe nicht mit Fakten gearbeitet und sei zu emotional gewesen (gähn!). Wir erinnern uns: Im US-Wahlkampf gab es bereits in der Vergangenheit eine gesteuerte Hass-Kampagne gegen eine andere Frau, Hillary Clinton. Beide stören als Frauen ganz einfach mit ihren x-beliebigen, stereotypen „weiblichen“ Attributen und seien daher für das Amt der US-Präsidentin einfach nicht geeignet. Dass eigentlich patriarchale Machtverhältnisse dahinter stecken, führt Kracher aus: Frauen sollen gar nicht erst in öffentlichen und machtvollen Sphären präsent sein, in denen sie die männliche Hegemonie – hier am Beispiel der Politik – durch ihre alleinige Existenz in Frage stellen (7).

Bei der Abwertung von Frauen, ,unmännlichen’ Männern oder geschlechtergerechter Sprache bleibt der Narzisst jedoch nicht und greift weitere rechte Weltbilder und Narrative auf. Er stellt die Aussage vieler von ihm kommentierten Videos, dass Trump ein Vergewaltiger sei, in Frage. Er sei nämlich „nur“ (!!!) wegen sexueller Belästigung und nicht wegen Vergewaltigung verurteilt worden. Zudem sei es sehr leicht, verurteilt zu werden. Er greift damit das Narrativ auf, dass von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen vermeintlich zu leichtfertig geglaubt werden würde – was jeglicher Grundlage entbehrt. Die meisten Taten werden gar nicht erst zur Anzeige gebracht. Er ist mit dieser Annahme jedoch nicht alleine: 20,2% der Befragten im Rahmen der Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 gaben an, dass Frauen mit ihren Schilderungen über sexualisierte Gewalt häufig übertreiben würden, um Vorteile aus der Situation zu schlagen (8).

Er spricht ferner einerseits von „den Medien“ bzw. der „Lügenpresse“, die einseitig über den US-Wahlkampf berichtet hätten und bezeichnet andererseits „X“ als ein neutrales und seriöses Medium. Der PUA bedient damit antisemitische Narrative, indem er suggeriert, dass Medien von einigen „Woken“ kontrolliert werden würden und reproduziert rechte Narrative einer „Zensur“ und vermeintlich „eingeschränkter Meinungsfreiheit“. Er offenbart auch seine Zustimmung zur AfD und der Kandidatin Alice Weidel, die sich gegen „woken linken Schwachsinn“ positioniert – er selbst könne zwar gar nicht in Deutschland wählen, findet ihre inhaltliche Positionen jedoch gut.

An diesem Videobeispiel eines Pick-Up-Artists können wir sehen, dass in dieser Online-Szene nicht „nur“ sexistische, antifeministische und misogyne Inhalte geteilt und rezipiert werden, sondern sich auch antisemitische oder queerfeindliche Ideologien neben gängigen rechten Narrativen, wie einer vermeintlich „woken Zensur“ tummeln. 

1 + 8, Decker et al. 2024, 69
2 BKA 2024; Femizide Stoppen 2024
3 Süddeutsche Zeitung 2024
4 Kracher 2020, 30
5 Schutzbach 2018, 307
6 Ribeiro et al. 2020, 17
Kracher 2020, 146