Eine Vorbemerkung oder das Patriarchat ist ein Arschloch
Wir leben im Patriarchat und haben es daher häufig mit strukturell verankerten und ansozialisierten Verhaltensweisen zu tun, die total problematisch sind, uns aber normal erscheinen, da wir es schlicht nicht anders kennen. Aber nur weil etwas für einige (oder auch die Mehrheit) ‚normal‘ erscheint und nicht hinterfragt wird, bedeutet es nicht, dass es das auch ist.
Wir lieben, fordern und werben für Konsens, also das Flirten auf Augenhöhe und ein (intimes) Miteinander im Wissen, dass die Grenzen der*des Anderen stets respektiert werden. Problematisch wird es immer dann, wenn dein Gegenüber versucht, dich gegen deinen Willen zu verführen, denn dann wirst du zu etwas bewegt, was du so eigentlich gar nicht willst. Pick-Up-Artists (PUAs) und ihre Schüler versuchen, deinen Willen zu brechen, dich zu manipulieren und dich so auszutricksen. PUAs finden das wahrscheinlich normal, vielleicht sogar romantisch, denn die Vorstellung, dass Frauen beim Kennenlernen erobert werden wollen, ist bis heute weit verbreitet. Sie werden als der ‚passive‘ Part imaginiert, der meistens ein bisschen Widerstand zeige und sich sträuben würde. Dieses Verhalten sei aber nur Teil ihrer Spielchen, denn eigentlich wollten Frauen verführt werden und wenn man lange genug insistiere, dann würden sie schon nachgeben.
Um es ganz klar zu sagen: Das ist Bullshit! Es ist nicht OK, wenn dich jemand manipulieren will. Es ist nicht OK, wenn jemand versucht, dich zu Handlungen zu überreden, die du nicht willst oder über die du dir noch gar keine Gedanken machen konntest. Es ist nicht OK, wenn eine Person Macht über dich ausüben möchte und deine Grenzen und Regeln ignoriert bzw. dir keine Möglichkeit gibt, sie zu kommunizieren. Es ist nicht OK, wenn dich eine Person einfach berührt, umarmt oder küsst ohne deine Zustimmung.
Und NEIN, du musst nicht freundlich bleiben, wenn dich jemand anbaggert. Zeige deine Grenzen auf, sage „Nein“. Du musst nicht mit einer Person mitgehen oder tun, was sie von dir will, nur um sie nicht zu verletzen. Du musst auf dein Gegenüber keine Lust haben! Dein Gegenüber weiß nicht besser als du selbst, was du willst – nur du weißt es oder wirst es noch in Erfahrung bringen.
Und JA – mit deiner Sexualität und deinem Verhalten ist alles in Ordnung! Lass dir nicht das Gegenteil einreden. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, um dir deiner eigenen Grenzen bewusst zu werden und halte sie ein – egal was dein Gegenüber davon hält. Deine Grenzen müssen akzeptiert werden – ohne Wenn und Aber.
Das bedeutet, dass sexistisches Verhalten und übergriffige Handlungen nicht nur durchbrochen werden dürfen – sie sollen sogar durchbrochen werden. Wenn du also spürst, „Hey, hier ist etwas nicht ok“, vertraue auf dein Gefühl! Wenn es sich nicht richtig anfühlt, dann ist es nicht OK!
Flirte, liebe und lebe deine Sexualität aus – aber mit gegenseitigem Respekt und Konsens.
Solidarität ist unsere Waffe – Gemeinsam gegen Macker und Sexisten!
Was also tun, wenn du angelabert wirst?
Auch wenn wir nicht davon ausgehen, dass viele cis-hetero Typen diese Publikation in die Finger nehmen oder gar lesen, der erste Hinweis geht an euch: Hört auf, Frauen als Objekte zu betrachten, konfrontiert eure Buddies, wenn sie sexistische Kackscheiße von sich geben und lernt, was Konsens bedeutet!
An alle: Wenn ihr auf der Straße, im Club oder sonst irgendwo mitbekommt, dass Personen gegen ihren Willen angelabert werden oder ihr euch unsicher seid – solidarisiert euch. Nehmt Blickkontakt zu der Person auf, die bedrängt wird. Fragt nach, ob das Gespräch bzw. die Situation angenehm für sie ist. Falls es Anzeichen dafür gibt, dass es das nicht ist, bietet der Person Unterstützung oder einen Ausweg aus der Situation an. Es hilft oft schon in der Nähe zu bleiben und nicht wegzuschauen, wenn PUAs oder andere Sexisten versuchen, ihre ‚Targets‘ zu manipulieren.
Wie in der Einleitung geschrieben, haben wir den Titel unseres Zines überarbeitet. Gewalt ist nicht geil und das Anwenden von Gewalt macht etwas mit uns als Menschen. Was wir also nicht propagieren wollen, ist loszuziehen und wahllos Typen zu verhauen, ohne dass es notwendig wäre. Wenn es aber darum geht, sich zu verteidigen oder zu wehren, dann halten wir auch körperliche Gewalt für ein legitimes Mittel. Wir haben diese Einstellung, weil manipulierende Anmachen von PUAs und ihren Schülern nur ein Ausdruck der umfassenden Objektifizierung von Mädchen und Frauen ist. Für einige ist bereits dies eine gewaltförmige Erfahrung und wir wissen, dass es eben diese Objektifizierung ist, die Tür und Tor öffnet für sexualisierte Gewalt und – im Extremfall – Femizide.
Unser Eindruck ist, dass es gerade hier Solidarität braucht. Eine Entsolidarisierung etwa in Form von Pauschaldistanzierungen wie „Wir lehnen Gewalt ab“ ist für von Gewalt betroffene Menschen, die sich wehren, eine bittere Erfahrung und bedeutet im Zweifel eine Retraumatisierung.
Allgemein gilt: Wenn ihr Betroffenen beispringt, achtet bitte immer auf eure eigene Sicherheit und Möglichkeiten.
Es braucht eine feministische Frontalattacke!
Was es neben Solidarität mit den Betroffenen braucht, sind Bündnisse. Wir müssen weg von der Individualisierung und hin zu einer gemeinsamen Aktivierung, sowie einer grundsätzlichen gesellschaftlichen Enttabuisierung und mehr Öffentlichkeit.
Wir wünschen uns eine Welt, in der wir ohne Angst leben können. Dazu ist es u. a. wichtig, emanzipatorische sexuelle Bildung für alle Personen zugänglich zu machen und eine Norm der radikalen Achtsamkeit zu etablieren. Es ist wichtig, die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu kennen, lernen, diese zu kommunizieren und wechselseitig zu respektieren. Damit Sexualität keine Grenzen überschreitet und ungute Gefühle bereitet, sondern Spaß macht und lustvoll für alle Beteiligten ist.
Dafür braucht es aber eine Welt, in der wir „Nein“ sagen können, in der Konsens und radikale Achtsamkeit total normal sind und in der man schräg angeschaut wird, wenn man kein*e Feminist*in ist. Lasst uns für eine solche Gesellschaft streiten.
Für eine feministische Welt – in der wir alle frei leben und lieben können.
Wir lieben Konsens! Aber was bedeutet das eigentlich?
Konsens bedeutet, dass wir sichergehen wollen, keine Grenzen zu überschreiten. Darum schaffen wir Räume, in denen ein „Nein“ oder eine Bitte um Veränderung nicht nur OK, sondern absolut erwünscht ist. Wir fragen nach, ob unsere Partner*innen mit intimen Handlungen einverstanden sind. Und das tun wir nicht nur einmal, sondern viel, oft und wann immer wir einen Schritt weiter gehen. Oder uns gerade unsicher sind, ob unser Gegenüber gerade Lust auf etwas hat. Dabei gilt für uns das Prinzip: Nur Ja heißt Ja! Ein „Vielleicht“, ein Schweigen, alles was kein eindeutiges Ja ist hingegen bedeutet ein Nein – und ist als solches unbedingt zu respektieren.
So flirten wir auf Augenhöhe und haben ein (intimes) Miteinander in dem Wissen, dass die Grenzen der*des Anderen stets respektiert werden.
Und Konsens ist sexy! Sich sicher zu sein, dass meine Partner*innen Lust und Spaß haben an dem, was wir tun, ist eine unglaublich schöne Erfahrung. Trotzdem haben viele von uns nie gelernt, die eigenen Bedürfnisse sowie Wünsche zu erkennen und/oder auszudrücken – geschweige denn nachzufragen, ob und worauf das Gegenüber gerade Lust darauf hat. Probiert es also einfach mal aus. Es lohnt sich.