Gelddruckmaschine ‚Pick-Up‘ – Wie selbst ernannte ‚Verführungskünstler‘ ihren Kunden Geld aus der Tasche ziehen

Wir leben in einer kapitalistischen, neoliberalen Gesellschaft. Was zählt, ist Leistung. Menschen wird tagtäglich eingetrichtert, dass sie alles erreichen könnten, würden sie sich nur genug anstrengen. Für Erfolg im Leben, in der Liebe und der Lohnarbeit sei nur man selbst verantwortlich – gesellschaftliche Umstände, Privilegien oder persönliche Schicksale zählen in dieser Erzählung nicht. Die Angst vor dem sozialen Abstieg, der ständige Druck sich selbst zu optimieren oder die FOMO (fear of missing out) treibt viele in die Arme teils dubioser Anbieter, die sie fit für weitere neoliberale (Selbst-)Ausbeutung machen.

Wir sind inzwischen umgeben von einem kaum durchdringbaren Dickicht an Coaches, Personal Trainern und Rhetorik-Gurus, die allesamt versprechen ‚das Beste‘ aus uns ‚herauszuholen‘. Sie schreiben Ratgeber, sind zu Gast in Talkshows, schwafeln in Podcasts über die neuesten Kommunikationstechniken und posten auf ihren Instagram-Accounts Kacheln mit peinlichen Sprüchen wie: „Wenn Du vor einem Schritt keine Angst hast, ist er zu klein“. So weit, so unschön. Bei sog. Pick-Up-Artists (PUAs), die man ebenfalls in dieser Industrie verorten kann, kommen jedoch zu der neoliberalen Selbstverwertung Sexismus, Frauenhass bis hin zu extrem rechten Ideologien hinzu. Und auch diese Szene wächst, denn das Geschäft mit der Selbstoptimierung brummt.

AIDA – die vier Phasen der Conversion

Wo hohe Gewinne locken, ist die Konkurrenz groß und der Markt entsprechend hart umkämpft. Um in der Selbstoptimierungsbranche Kund*innen zu gewinnen, wird in erster Linie auf digitales Marketing gesetzt, also auf online- und technologiebasierte Werbung. Anbieter*innen zielen beim digitalen Marketing stets darauf ab, potentielle Käufer*innen möglichst schnell durch einen sog. Marketing Funnel zu bekommen. Vorstellen kann man sich diesen als eine Art Trichter mit verschiedenen Phasen eines Kaufprozesses. Das Ziel der Anbieter*innen ist jedoch am Ende immer, potentielle Kund*innen möglichst schnell durch die verschiedenen Phasen zu lotsen, denn am Ende steht der Verkauf des eigenen Produkts und damit satte Gewinne für den*die Anbieter*in. Dafür wollen die Anbieter*innen möglichst schnell etwa an die E-Mail-Adressen möglicher Kund*innen kommen, also eine sog. Conversion erreichen. Haben die Anbieter*innen eine E-Mail-Adresse oder andere Kontaktmöglichkeiten, wird der*die potentielle Kund*in mit personalisierten Angeboten überschüttet und dazu bewegt, einen Kauf zu tätigen.

Es gibt verschiedene Modelle des Marketing Funnels und dessen einzelner Phasen. Anhand des AIDA-Modells soll hier beispielhaft erläutert werden, wie PUAs vorgehen. AIDA steht in diesem Falle für:

  • Awareness:Aufmerksamkeit erzeugen
  • Interest: Interesse wecken
  • Desire: Verlangen hervorrufen
  • Action: Handlung auslösen

In der Awareness Phase nutzen PUAs diverse Plattformen, um Informationen über das eigene Angebot zu teilen. Das kann die eigene Webseite mit einer Angebotsübersicht, Testimonials und Versprechungen sein. Der Münchner PUA Charly Imsel etwa schreibt auf seiner Webseite, dass sein Coaching ein „Fundament für ein erfolgreiches Dating- und Sozialleben als Mann“ sei. Der PUA Matthias Pöhm wiederum suggeriert gar, dass sein PUA-Seminar auf Wissenschaftlichkeit basiert und ködert seine Kunden mit „neuesten Erkenntnissen aus der Flirt-Forschung“. Darüber hinaus sind die selbsternannten ‚Dating-‘‚ oder auch ‚Flirt-Coaches‘ häufig in einschlägigen Foren oder den sozialen Medien vertreten, um dort ihre Marketingbotschaften zu verbreiten. Manche investieren sogar in Google Ads, um bei entsprechender Suche (z. B. „Warum finde ich keine Freundin?“) ganz oben in den Suchergebnissen aufzutauchen.

Ist bei Kunden das Interesse geweckt, ist die Interest Phase erreicht. Hier werden die Kommunikationsmaßnahmen spezifischer. Mit dem Ziel, die oben erwähnte Conversion zu erreichen, wird das Angebot mithilfe technischer Möglichkeiten auf die Zielgruppe zugeschnitten und potentielle Kunden gezielt angesprochen. Eine Conversion ist z. B. erreicht, wenn PUAs potentielle Kunden auf ihre Verkaufsseiten bekommen. Dort angekommen locken sie mit kostenlosen Erstgesprächen oder Online-Coachings, für die man sich anmelden soll. So kommen die PUAs an die persönliche Daten der Kunden und die sind potentiell Gold wert.

Die Selbstoptimierungs-Industrie, zu der auch die PUAs gehören, baut darauf, dass Menschen sich von der modernen Gesellschaft überfordert fühlen und von Selbstzweifeln geplagt sind. Potentielle Kunden hadern zumeist damit, nicht sportlicher, schlanker, schlauer oder eben erfolgreicher bei Frauen zu sein. Statt die Schuld aber im System, der eigenen Sozialisierung oder den Lebensumständen zu suchen, fragen sich viele, was sie persönlich falsch gemacht haben. Auf dieses fehlende Selbstbewusstsein setzen auch die PUAs – gerade in der Desire Phase. Um interessierte Konsumenten in potentielle Käufer zu verwandeln, kommen emotionale und rationale Werbebotschaften zum Einsatz. Hat sich ein Mann also bspw. zu einem dieser kostenlosen Erstgespräche angemeldet, wird er mit antrainierten Kommunikationstechniken bequasselt und dazu gebracht, ein teures Coaching oder Seminar zu buchen.

Und Action! In dieser Phase hat der PUA es geschafft und der Kunde tätigt einen Kauf. Er bucht das Seminar, kauft einen Ratgeber oder ein Coaching. Beim PUA klingelt die Kasse und das – wenn er seine Hausaufgaben gemacht hat – meistens nicht nur einmal. Denn oft kommen die Kunden wieder, um weitere ‚Verführungstechniken‘ zu erlernen.

Ein lohnendes Geschäft

Anspruchsdenken und erfolgloses Flirten sind ein lohnendes Geschäft. Der PUA Matthias Pöhm etwa nimmt 1.650€ für ein Wochenendseminar, „Royal Campus „knapp 880€ und Maximilian Pütz schlappe 1.997€ – am Tag! Hinzu kommen Einnahmen aus Buchverkäufen, Auftritten bei Events der Szene oder indem man die eigenen ‚Skills‘ für viel Geld anderen beibringt. Die Leidtragenden sind jene, die sich vom Marketing-Blabla blenden lassen und sehr viel Geld für sexistische Kackscheiße ausgeben. Betroffen sind aber vor allem Frauen, die von PUAs und ihren Kunden objektiviert und zur reinen Manövriermasse gemacht werden.