Es sind die manipulativen und pseudowissenschaftlichen Methoden der selbsternannten Pick-Up-Artists (PUAs), bei denen ihre Ideologie besonders sichtbar wird. Um ‚Targets‘, also Frauen, ins Bett zu bekommen, überschreiten sie ihre Grenzen, erniedrigen sie und schwächen ihr Selbstbewusstsein. Einer verunsicherten Frau zwingt man schließlich leichter den eigenen Willen auf. Mit Flirten hat das alles selbstverständlich nichts zu tun. Es geht um Macht und ums Game (s. Kap. Sprache) und nicht darum, eine gute Zeit miteinander zu verbringen oder sich gar wechselseitig zu respektieren. Im Folgenden sollen einige Taktiken und Strategien dieser Pick-Up-Arschis vorgestellt werden.
Push- und Pull-Methode
Bei dieser Methode geht es um das Heranziehen und Wegstoßen des ‚Targets‘. Die Frau wird zunächst mit Komplimenten überhäuft, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Hat der PUA diese, wird sie anschließend erniedrigt und beleidigt, nur um sie im ‚Pull‘-Teil wieder mit Komplimenten an sich ‚heranzuziehen‘. Das Ziel: ein Machtgefälle zu erzeugen, das den PUA über das ‚Target‘ stellt, um ihr von dort aus den eigenen Willen aufzudrücken.
Negging
‚Negging‘ ist eine weitere Taktik der PUAs. ‚Negs‘ sind vermeintliche Komplimente, welche das ‚Target‘ herabwürdigen und ihr Selbstbewusstsein schwächen. Verwundbare Frauen, so die Überlegung der PUAs, sind empfänglicher für Anmachen. Ein selbsternannter Experte in einem PUA-Forum schreibt dazu: „Negs dienen wirklich dazu, den State [Zustand] eines Targets anzuknacksen. Zum Beispiel: Ich mag deine blonden Haare…. nur schade, das [sic] sie gefärbt und nicht natur sind.“
Freezing oder Freeze Out
Eine andere Methode, die PUAs ihren Schülern beibringen, ist das ‚freezing‘. Diese Taktik basiert darauf, kurz Interesse an einer Frau zu zeigen, nur um sie dann total zu ignorieren und die Situation so zu brechen. PUAs argumentieren, dass dies die Chance,eine Frau ins Bett zu bekommen, erhöhen würde, da die plötzliche Distanz ihr Verlangen steigere.
Last Resistance oder Last Minute Resistance
Ein Typ hat es geschafft, dass eine Frau ihn mit nach Hause nimmt. Kurz bevor sie miteinander schlafen, zögert sie jedoch. Hier kommt die Taktik ‚last resistance‘ zum Einsatz, die eine Kombination von ‚push and pull‘ sowie ‚freezing‘ ist. Das Ziel dieser Methode ist, die Frau dazu zu bringen, ihren Widerstand aufzugeben. Die Taktik wird so lange gefahren, bis sie aus Angst vor Zurückweisung oder sozialem Druck schließlich doch einwilligt und es zum Geschlechtsverkehr kommt. PUAs sind hier hartnäckig. In einschlägigen Foren ist zu lesen, dass einige bis zu zwei Stunden dranbleiben, um mit ihrem ‚Target‘ zu schlafen. Die Wünsche oder Zustimmung der Frau werden schlicht ignoriert. Was zählt ist das ‚Game‘ und das heißt es zu gewinnen – komme wer oder was wolle.
Ihr nennt es Kunst? Wir nennen es Grenzüberschreitung und sexualisierte Gewalt!
Wer Angst, Druck und Manipulation als Flirtstrategie nutzt, hat unserer Ansicht nach nicht nur Probleme mit sich selbst, sondern agiert ohne Respekt und Wertschätzung Frauen gegenüber. Es geht in der Aufreißerszene darum, den Willen von Frauen und Mädchen zu brechen und ihre Grenzen bewusst zu überschreiten, um die eigenen Interessen auch gegen die Bedürfnisse ihres Gegenübers durchzusetzen.
Grenzüberschreitungen, besonders auf sexueller Ebene, können bei den Betroffenen unangenehme Gefühle hervorrufen, aber auch zu langfristigen psychischen Problemen führen. Methoden, Strategien und Taktiken, die zum Ziel haben, sexuelle Handlungen an einer Person ohne ihre ausdrückliche Zustimmung vorzunehmen, ist sexualisierte Gewalt und diese ist ggf. auch strafbar. Diese Gewalt ist als solche klar zu benennen, sichtbar zu machen, konsequent abzulehnen – und, wenn man diesen Weg für sich wählt, auch anzuzeigen (s. Kap. Was tun).
Nur Ja heisst Ja!
PUAs versuchen die psychische und bisweilen sogar sexualisierte Gewalt, die sie ausüben und an Dritte weitervermitteln, konsequent zu verharmlosen. In einem YouTube-Video (1) machen sich Charly Imsel und Daniel Karnatz lustig über den Vorwurf des Journalisten Sebastian Vesper, dem zufolge die Methoden sog. ‚Dating-Coaches‘ fragwürdig bis gefährlich seien (2). Imsel findet es nach Aussage im Video gefährlicher und fragwürdiger, wenn junge Männer keine Beziehung führen und „irgendwo alleine bleiben“. Er und Karnatz inszenieren sich also als Helfer in der Not, die Männer davon abhalten würden, ihren Frauenhass in ‚Incel‘-Foren auszuleben. All das passt in den Diskurs einer patriarchal strukturierten Gesellschaft und wird von dieser gedeckt und teilweise noch immer bestärkt. So gehen viele bis heute davon aus, dass Männer ein grundsätzliches Recht auf weibliche Körper oder Sex hätten und‚durchdrehen‘ würden, wenn ihnen dies verwehrt würde. Noch im Januar 2025 musste der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheiden, dass Geschlechtsverkehr nicht zu den ehelichen Pflichten einer Frau gehört. (3) Das zeigt, dass weder die Sprache, die frauenverachtende Ideologie noch die manipulativen Methoden von PUAs harmlos sind. Die Verletzung von weiblich gelesenen Personen und ihren persönlichen Grenzen sind die Grundlage ihrer Aktivitäten. Wir fordern ein Ende der Verharmlosung der Gewalt, die von der PUA-Szene ausgeht. Es braucht eine breite Auseinandersetzung mit den Akteuren und ihren Methoden. Bis das Thema gesamtgesellschaftlich bearbeitet wird, sehen wir als Antisexistische Aktion München es als eine unserer Aufgaben an, das Thema sichtbar zu machen, uns in Bündnissen mit solidarischen Personen zusammenzuschließen und zu vernetzen, um gemeinsam gegen diese patriarchale Gewalt vorzugehen. Damit wir alle ein Leben frei von manipulativen Aufreißern leben können.
We love consent <3
1 YouTube-Video von Charly Imsel 2024
2 Vesper Sebastian 2024
3 Kring Dr. Franziska 2025