Warum Rechte uns hassen. Unser Redebeitrag vom Aktionswochenende „Für das Paradies auf Erden“

Wir dokumentieren hier unseren Redebeitrag vom Aktionswochenende „Für das Paradies auf Erden“ am 24./25.3.23 in München.

Liebe Genoss*innen und Freund*innen. Als Feminist*innen sind wir der extremen Rechten ein Dorn im Auge. Sie kramen das Feinbild Feminismus gerne hervor, um emanzipierte Frauen, Männer, die  “nicht männlich genug“ sind, oder LGBTIQs zu diskreditieren, auszugrenzen und mit Hass zu begegnen.

Bevor ich weiterspreche, will ich darauf hinweisen, dass ich in diesem Redebeitrag rechte Ideologie und rechtes Gedankengut reproduziere. Das ist leider manchmal notwendig, um den rechten Scheiß, den diese Leute von sich geben, zu analysieren, um ihm dann anschließend begegnen zu können. Ich versuche das heute alles kritisch einzuordnen – grundsätzlich gilt aber immer: bleibt kritisch im Umgang mit rechten Aussagen und Weltbildern. 

An diesem Wochenende gehen wir alle gemeinsam auf die Straße, um den antifeministischen Aufmarsch der Abtreibungsgegner*innen zu sabotieren. Euch, die heute hier sind, müssen wir das nicht sagen, aber diese Leute müssen keine Neoazis sein, damit wir das tun. Denn die Gefahr, die von ihnen – die schlussendlich selbst rechte bis extrem rechte Ansichten vertreten – ausgeht, ist auch so sehr real. 

Grundsätzlich stellen wir fest, dass es der extremen Rechten total egal ist, ob man sich selbst als Feminist*in bezeichnet. Ihr Antifeminismus braucht keine Feminismusdefinition. Feminismus ist für Rechte alles, was nicht dem vermeintlichen Ideal der biologistischen Idee von heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit und einem Familienkonstrukt aus Vater, Mutter und Kindern entspricht.

Zugrunde liegt der extrem rechten Agitation eine Ideologie der Ungleichwertigkeit. Diese wird entlang verschiedener Strukturkategorien ausgemacht. Wir greifen uns in unserem Redebeitrag heute zwei dieser Kategorien heraus:

  • Die Herkunft.
  • Und das Geschlecht.

Wenn wir über die Kategorie Herkunft sprechen, kommen wir am extrem rechten Ideal der sogenannten „Volksgemeinschaft“ nicht vorbei. Dazu gehört wer hineingeboren wurde, also diejenigen, die deutsche Eltern, Großeltern und Urgroßeltern haben. Diese Gruppe wird von Rechten aufgewertet und anderen Gruppen übergeordnet – gleichzeitig werden also jene, die nicht Teil dieser Gruppe sind abgewertet. Diese Abwertung trifft Migrant*innen, Menschen mit Behinderung oder Obdachlose, aber auch Geflüchtete, Juden und Jüdinnen, Linke, LGBTIQ-Personen und selbstverständlich auch uns Feminist*innen. Feminist*innen werden zum Ziel von rechtem Hass, weil sie aus der Sicht der Rechten verantwortlich gemacht werden für den sogenannten „Großen Austausch“.

„It’s the Birthrates.“ Es sind die Geburtenraten.

So begann ein Rechtsterrorist, der am 15. März vor vier Jahren, 51 Menschen aus rassistischen Gründen in Neuseeland ermordete, sein sogenanntes Manifest.

Es sind die Geburtenraten.

Hinter diesem kurzen Satz steckt die Verschwörungserzählung des sogenannten „Großen Austauschs“, einer rassistischen, antisemitischen und antifeministischen Erzählung, die von verschiedenen rechten Strukturen wie der AfD, der sogenannten „Identitären Bewegung“, dem „Dritten Weg“ und vielen weiteren – etwas verklausuliert auch von der sogenannten „Lebensschutzbewegung“ – verbreitet wird. Sie besagt – ganz kurz gesagt – dass es einen geheimen Plan gäbe, die deutsche oder europäische Bevölkerung durch Migrant*innen auszutauschen. Hinter diesem Plan, so die Erzählung, würden geheime Mächte stecken. Das lässt natürlich Raum für Interpretation und antisemitische Chiffren.

Der extrem rechte Attentäter, der 2019 am höchsten jüdischen Feiertag Yom Kippur in einer Synagoge in Halle ein Blutbad anrichten wollte, benannte diese vermeintlichen geheimen Mächte ganz offen, als er sagte: die Wurzel dieser Probleme sei der Jude. Es ist eine mörderische Ideologie, die bereits viele Menschenleben kostete und das Leben zahlloser Menschen zerstörte.

Kommen wir zurück zu der Frage, welche Rolle wir Feminist*innen dabei spielen.

Dazu muss man wissen, dass extrem rechte Politik zu einem großen Teil Biopolitik ist. Um ihre sogenannte „Volksgemeinschaft“ zu kontrollieren und zu optimieren, brauchen sie Zugriff auf gebärfähige Körper. Das bedeutet, dass sie kontrollieren wollen wer gebärt und wer nicht. Dabei ist letzteres ein im Kontext Pro-Choice oft vernachlässigter Aspekt. Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen passieren bis heute und sind ein massiver Eingriff in reproduktive Rechte zum Beispiel von Menschen mit Behinderung.

Wenn wir an diesem Wochenende also „My Body My Choice“, mein Körper, meine Entscheidung fordern, dann fordern wir ganz konkret, dass sich Menschen dieser Kontrolle entziehen. Wir werden zu Feind*innen, weil wir einfordern, dass Frauen ein Recht auf Ausbildung und Arbeit haben, dass wir ein Recht auf Selbstbestimmung des Individuums vor der Gemeinschaft haben. Diese emanzipatorischen und über die Jahre von feministischen Bewegungen erkämpften Rechte und Freiheiten, stehen der rechten Ideologie über die Kontrolle der Bevölkerung diametral entgegen.

Und damit sind wir auch bei der zweiten Kategorie, entlang derer die extreme Rechte festlegt, wer zum Anderen gemacht wird. Der Kategorie Geschlecht. Denn “der Feminismus“ wird nicht nur für sinkende Geburtenraten verantwortlich gemacht, ihm wird auch ein Angriff auf die Familie an sich unterstellt. Diese hat, nach Ansicht der extremen Rechten, auf ganz “natürlicher Weise“ aus Vater, Mutter und Kind – oder besser noch Kindern – zu bestehen. Sie ist der Ort für den Erhalt der sogenannten „Volksgemeinschaft“. Wer Vater und wer Mutter ist, wird von Rechten biologistisch anhand von Geschlecht, Hormonen oder sogar an mutmaßlich steinzeitlichem Verhalten festgemacht. Daraus leiten sie dann Eigenschaften ab, die auf „ganz natürliche Weise“ Frauen zu Müttern und Männer zu Versorgern und Beschützern mache. Fest steht für die extreme Rechte: Frauen und Männer sind in ihrem Wesen unterschiedlich. Die Komplexität der Welt wird reduziert und alles was davon abweicht, sei nur eine Ausnahme, die die Regel bestätigt. Die Folge ist ein erbitterter Kampf rechter Strukturen gegen vielfältige Lebensformen. Zum Ziel werden dabei Frauen, die in ihrem Lebensentwurf keine Kinder vorsehen oder Familienkonstruktionen, die nicht aus einem Vater und einer Mutter bestehen. Aktuell mündet diese Ideologie in der Hetze gegen LQBTIQ- insbesondere gegen trans Personen. Menschen, die sich nicht in der heteronormativen, zweigeschlechtlichen Gesellschaftsordnung wiederfinden, wird kurzerhand das Existenzrecht oder ihre Menschlichkeit abgesprochen. Es ist also nicht verwunderlich, dass rechter Hass sich über jene Feminist*innen ausschüttet, die feministische Grundideale vertreten und die Gleichwertigkeit aller Geschlechter fordern.

Dass die extreme Rechte uns hasst, ist für uns weder Auszeichnung noch Maßstab für unsere Arbeit für ein feministisches Morgen. Uns ist klar: Wir setzen uns weiter für geschlechtliche, sexuelle, familiale und reproduktive Freiheiten und Rechte ein. Unser Ziel ist eine Welt, in der wir alle unterschiedlich sein dürfen, ohne Angst haben zu müssen. Dafür braucht es die Sichtbarmachung von strukturellen Ungleichwertigkeiten in der Gesellschaft. Nicht nur im Kontext von Herkunft und Geschlecht. Es braucht eine Welt in der verschieden sein, nicht verschieden viel Wert sein bedeutet. Und darum ist für uns als Feminist*innen klar: extrem rechtes Denken und die Politisierung von Ungleichwertigkeit muss überall aufgedeckt und zurückgewiesen werden. Rechtes und menschenverachtendes Denken und Handeln hat keinen Platz im feministischen Morgen.

Alerta Antifascista!