Gegen das Vergessen! Aufruf zur Gedenkkundgebung am 7.1.23

Entgegen der ursprünglichen Planungen wollen wir nächstes Jahr die Kundgebung in Gedenken an Corinna Tartarotti und Oury Jalloh wieder in der Münchner Schillerstraße machen. Hier kommt unser Aufruf für die Gedenkkundgebung am 7. Januar 2023 um 16 Uhr in der Schillerstraße. 

– English below –

Am 7. Januar 1984 werfen zwei Männer je einen Kanister Benzin in den Eingangsbereich der Diskothek „Liverpool“ in der Münchner Schillerstraße und setzen das Lokal in Brand. Acht Menschen werden verletzt. Conny Tartarotti, eine Barangestellte, erliegt drei Monate später ihren schweren Verletzungen. Sie war 20 Jahre alt.

Verübt wurde der Anschlag von der „Gruppe Ludwig“, die zwischen 1977 und 1984 in Norditalien und München mindestens fünfzehn Menschen ermordeten und viele bei ihren Brandanschlägen verletzten und traumatisierten. 

Die Geschehnisse sind lange her, fast vierzig Jahre, doch das ist kein Grund, den rechten Terror der „Gruppe Ludwig“ oder anderer rechter Täter zu den Akten zu legen. Ganz im Gegenteil! Denn unser Wissen über die Opfer des Anschlags vom 7. Januar 1984 ist noch immer lückenhaft, dabei sollen sie bei kritischem Gedenken im Zentrum stehen. Außerdem hat sich an den strukturellen Gegebenheiten, aus denen rechter Terror entsteht, über die Jahre nicht viel verändert.

Ernüchternde Kontinuitäten 

Die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat, zum Anschlag in der Schillerstraße, im NSU-Komplex oder beim OEZ-Attentat haben gezeigt, dass wir uns bei der Aufklärung rechter Anschläge nicht auf die Sicherheitsbehörden verlassen können. Ganz im Gegenteil, viel zu oft werden sie selbst Täter, wie das bei Oury Jalloh in Dessau der Fall war.

Bis heute werden rechte Taten und/ oder Taten mit Genderkomponente entpolitisiert und die Gewaltverbrechen nicht richtig eingeordnet und aufgearbeitet. Wir können die Mord- und Anschlagsserie der „Gruppe Ludwig“ auch deshalb nicht ad acta legen, weil ihr misogynes Weltbild und ihr gelebtes männerbündisches Ideal bis heute in weiten Teilen unserer patriarchalen Gesellschaft vorherrschend ist. In krisenhaften Zeiten wird Antifeminismus zu einer Ideologie, welche die Brücke schlägt zwischen der extremen Rechten und der sogenannten „bürgerlichen Mitte“.

Auch auf den Staat können wir uns bei der Erinnerung an die Opfer rechter Gewalt nicht verlassen. Ohne antifaschistische Initiativen wäre der Anschlag auf das „Liverpool“ in Vergessenheit geraten. Werden staatliche Stellen doch aktiv, liest man in Aktionsplänen oft von „Extremismus“ oder „politischer Gewalt“, anstatt das Problem beim Namen zu nennen. Das Problem heißt rechter Terror!

Gedenken heißt handeln! 

Was es mehr denn je braucht, ist eine klare Haltung gegen die extreme Rechte und ihre konservativen Steigbügelhalte. Genau das möchten wir mit unserer Kungebung ausdrücken und organisieren darum am Anfang des nächsten Jahres die Gedenkkundgebung in der Schillerstraße.

Zusammen mit Genoss*innen und Freund*innen wollen wir am 39. Jahrestag des Anschlags Corinna Tartarotti und den mindestens vierzehn weiteren Todesopfern, die dem mörderischen Terror der „Gruppe Ludwig“ zum Opfer fielen, gedenken. Und wir gedenken Oury Jalloh, der am 7. Januar 2005 in einer Gewahrsamszelle der Polizei Dessau ermordet und anschließend verbrannt wurde.

Wir versammeln uns um 16 Uhr vor dem ehemaligen Club „Liverpool“ in der Schillerstraße, um uns solidarisch mit den vielen Verletzten und Hinterbliebenen sowie allen Betroffenen rechter, homo- und transfeindlicher sowie misogyner Gewalt zu zeigen. Wir solidarisieren uns zudem ausdrücklich mit der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, seiner Familie und seinen Freund*innen. Diese kämpfen seit mittlerweile 18 Jahren für die Aufklärung der Todesumstände und Gerechtigkeit für Jalloh.

Wo: Schillerstraße 11A, München
Wann: 7.1.2023 um 16 Uhr

Bitte tragt wenn möglich Masken, haltet Abstand und achtet aufeinander. Wenn Ihr Symptome habt oder Kontakt mit einer erkrankten Person hattet, bleibt bitte lieber zuhause.

Mehr erfahren: https://asam.noblogs.org/perspektiven/thema-gedenken-tartarotti/


Contrary to the original plans, next year we want to hold the rally in memory of Corinna Tartarotti and Oury Jalloh in Munich’s Schillerstrasse again. Here comes our call for the memorial rally on January 7, 2023 at 4 p.m. in Schillerstrasse.

On January 7, 1984, two men each threw a canister of petrol into the entrance area of ​​the „Liverpool“ nightclub on Munich’s Schillerstrasse and set the bar on fire. Eight people are injured. Conny Tartarotti, a bar employee, succumbs to her injuries three months later. She was 20 years old.

The attack was carried out by the „Ludwig Group“, which murdered at least fifteen people in northern Italy and Munich between 1977 and 1984 and injured and traumatized many in their arson attacks.

The events happened a long time ago, almost forty years, but that’s no reason to put the right-wing terror of the „Ludwig Group“ or other right-wing perpetrators on the record. On the contrary! There are many gaps when it comes to knowledge about the victims of the attack on January 7th 1984. In addition, the structural conditions from which right-wing terror arises have not changed much over the years.

Sobering continuities

The investigations into the Oktoberfest attack, the attack on Schillerstrasse, the NSU complex and the OEZ attack have shown that we cannot rely on the security authorities to investigate right-wing attacks. On the contrary, far too often they become perpetrators themselves, as was the case with Oury Jalloh in Dessau.

To this day, right-wing acts and/or acts with a gender component are depoliticized and violent crimes are not correctly classified and processed. We cannot also shelve the series of murders and attacks by the „Ludwig Group“ because their misogynistic world view and their ideal of a male alliance is still prevalent in large parts of our patriarchal society. In times of crisis, anti-feminism becomes an ideology that bridges the gap between the extreme right and the so-called “middle class”.

Nor can we rely on the state to commemorate the victims of right-wing violence. Without anti-fascist initiatives, the attack on „Liverpool“ would have been forgotten. If government agencies do become active, action plans often refer to „extremism“ or „political violence“ instead of naming the problem by name. The problem is right-wing terror!

To commemorate is to act!

What is needed more than ever is a clear stance against the extreme right and its conservative stirrups. That’s exactly what we want to express with our rally and that’s why we’re organizing the rally in Schillerstrasse at the beginning of next year.

Together with comrades and friends, on the 39th anniversary of the attack, we want to commemorate Corinna Tartarotti and the at least fourteen other victims who fell victim to the murderous terror of the „Ludwig Group“. And we commemorate Oury Jalloh, who was murdered on January 7, 2005 in a police cell in Dessau.

We gather at 4 p.m. in front of the former club „Liverpool“ on Schillerstraße to show our solidarity with the many injured and survivors as well as all those affected by right-wing, homophobic, transphobic and misogynistic violence. We also express our solidarity with the initiative in memory of Oury Jalloh, his family and his friends. They have been fighting for the clarification of the circumstances of death and justice for Jalloh for 18 years now.

Where: Schillerstrasse 11A, Munich
When: January 7th, 2023 at 4 p.m

Please wear masks if possible, keep your distance and take care of each other. If you have symptoms or have been in contact with a sick person, please stay at home.

Learn more: https://asam.noblogs.org/perspektiven/thema-gedenken-tartarotti/