Die Abwertung von Frauen (1) und Frauenhass äußert sich in verschiedensten Facetten innerhalb der Gesamtgesellschaft. Im antifeministischen AfD-Wahlprogramm, in dem eine hierarchisch organisierte Zweigeschlechtlichkeit und Ablehnung von Frauen- und Gleichstellungspolitik propagiert wird, in Alltagssexismen, über die alle FLINTAs Romane schreiben könnten, bis hin zu Feminiziden, dem Mord an Frauen, als äußerste Zuspitzung kapitalistisch-patriarchaler Gewalt. Sexismus und Antifeminismus sehen sich keiner gesellschaftlichen Repression oder Grenzen des Sag- und Denkbaren konfrontiert und sind somit nicht an vermeintlichen Rändern in der Gesellschaft zu verorten, sondern stellen ein gesamtgesellschaftliches Phänomen dar. Die Leipziger-Autoritarismus 2020 zeigt auf, dass „jeder vierte Mann und jede zehnte Frau in Deutschland ein geschlossen antifeministisches Weltbild“ aufweisen und 47,3 Prozent der Männer und 28,7 Prozent der Frauen mindestens einer antifeministischen Aussage zustimmen (2).
(K)ein Recht auf weibliche Aufmerksamkeit
Die sogenannte ,Pick-Up-Artist’-Szene, in der sich Männer zusammenfinden, einem schmierigen cis-Typen sehr viel Geld (siehe auch diesen Beitrag) zahlen, um sich widerwärtige und frauenverachtende Techniken (siehe auch diesen Beitrag) anzueignen, fußt auf einer patriarchalen Gesellschafts- und Geschlechterordnung (3). Veronika Kracher, Soziologin, Literaturwissenschaftlerin und Autorin des Buches Incels – Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults, schreibt hierzu, dass es „Teil einer patriarchalen Sozialisation [ist], vermittelt zu bekommen, man hätte ein irgendwie geartetes Recht auf weibliche Aufmerksamkeit“4 .
‚PUAs‘ vertreten und reproduzieren diese Ideologie, „nach der Frauen nichts anderes als Sexobjekte seien, die einem Untertan gemacht werden müssten“ (5). Eine antifeministische Einstellung, gepaart mit der Vorstellung, sich die verlorene männliche Souveränität wieder anzueignen, bietet häufig den Einstiegspunkt in die ‚PUA‘-Szene (6). Die Soziologin Franziska Schutzbach und die Geschlechterforscherin Michelle Lanwer betonen jedoch, dass ‚PUAs‘ nicht nur als Arschis belächelt werden sollten, denn
„[v]om Feindbild eines angeblich grassierenden ,Feminismus’, der Männer klein halte, sei es oft nur ein kleiner Schritt zu der Vorstellung, die Verweichlichung des westlichen Mannes führe zur Schwächung nationaler Souveränität und zur baldigen Machtübernahme durch Muslime. Der norwegische Massenmörder [..] argumentierte in seinem Manifest auf diese Weise (7).“
Antifeminismus bietet aufgrund seiner breiten gesellschaftlichen Akzeptanz einen vermeintlich unpolitischen und niedrigschwelligen Einstieg in das Sammelsurium miteinander verbundener, menschenverachtender Ideologien. Niedrigschwelliger im Gegensatz zu extrem rechten Onlineforen und Communities, in denen menschenverachtende Ideologien offen verbreitet werden (8). Ein ehemaliger ‚PUA‘ bestätigt dies aus eigener Erfahrung und führt aus, dass neben Sexismus auch Rassismus oder etwa Verschwörungsideologien in der Szene verbreitet sind. In den USA gibt es enge Überschneidungen zur sogenannten ,Alt-Right-Bewegung‘. Zudem sollen Anhänger der extremen Rechten ganz gezielt in Foren der ,PUAs‘ aktiv sein, um auch etwa rassistische Aussagen in den Fokus zu rücken (9). In Deutschland werden Online-Foren zwar moderiert, weshalb menschenverachtende Inhalte subtiler geteilt werden, dennoch gibt es die ideologischen Überschneidungen hierzulande auch (10).
Personelle und ideologische Verstrickungen
Feministische Kämpfe um Gleichberechtigung werden in der Szene als vermeintlich gesteuertes Projekt einer „Elite“ oder „denen da oben“ diffamiert. Diese Verschwörungserzählung mündet schließlich dort, wo alle Verschwörungserzählungen enden: beim Antisemitismus. Bestrebungen nach Gleichberechtigung werden als ein Angriff auf die vermeintlich ,natürliche‘, völkische Ordnung von Gesellschaft und Geschlecht missinterpretiert. Antimuslimischer Rassismus hingegen entlädt sich in der Abwertung von Migration an sich als vermeintlich drohende Gefahr. Diese gehe von muslimischen Männern aus, die den westlichen Männern ,ihre‘ Frauen wegnehmen. Die Sozialwissenschaftlerin und Autorin Jutta Ditfurth fasst dies treffend auf ihrem Twitter Kanal zusammen:
„Deutsche Rechte und Nazis demonstrieren für ihr alleiniges Recht, Frauen sexuell zu belästigen“11.
Ein Beispiel für die personelle Verstrickung zwischen der extremen Rechten und der ,Pick-Up-Szene‘ ist Robert Timm, der bei den sogenannten ‚Identitären‘ in Berlin organisiert ist (12). Auch Chef-Clown Sellner, aktiv beim österreichischen Ableger der dort mittlerweile verbotenen ,Identitären‘, ist beim Frauenhass und antifeministischer Ideologie ganz vorne mit dabei. Er gab an, ein Frauenhaus in Graz „aus Spaß“ (sic!) besuchen zu wollen. Ein User kommentierte dies unter seinem Post mit:
„Frauenhaus. Bester Aufrissplatz. Irgendeine ist immer da“ (13).