Die Macht der Sprache. Wie ‚Pick-Up-Artists‘ kommunizieren. 

Die selbsternannte ‚Pick-Up-Artist‘-Szene zeichnet sich durch einen bestimmten Sprachstil aus, der einige Begriffe aus dem Bereich des Militärs, Sports und Gamings enthält (alles insgesamt sehr männlich dominierte Sphären). So werden weiblich gelesene Personen (1), die ‚PUAs‘ mittels ihrer sexistischen Verführungstechniken zu manipulieren trachten, in der Regel als „targets“ bezeichnet. Kollaborierende ‚PUAs‘, die etwa durch das Ablenken von Freundinnen zum Gelingen eines ekelhaften Annäherungsversuches beizutragen versuchen, werden „wingmen“ genannt. Die Verwendung verschiedener Abkürzungen und Akronyme wie beispielsweise HB (Hot Babe), ASD (Anti-Slut-Defence) und AFC (Average Frustrated Chump) stellt zudem sicher, dass nur eingeweihte Personen verstehen, was gemeint ist. Gleichzeitig dient sie den ‚PUAs‘ aber auch als Identifikationsfolie.

Alles nur ein Spiel?

Mit ihrer Sprache schaffen ‚PUAs‘ emotionale Distanz und suggerieren alles sei nur ein Spiel.

Die manipulativen Machenschaften und sexistischen Verführungspraktiken der ‚PUAs‘ werden von diesen  euphemistisch als „Game“ betitelt. Sie erhalten dadurch nach außen hin einen vermeintlich harmlosen Charakter ganz nach dem Motto: „Das ist doch alles nur ein Spiel“. Es wird also der Eindruck vermittelt, es handle sich um ein spielerisches Flirten und Sich-gegenseitig-Necken, bei dem niemand ernsthaft zu Schaden kommen könne. Sexismus und Antifeminismus werden nicht nur verharmlost, sie werden (um des Spiel willens) auch zu akzeptablen Methoden stilisiert. In Wirklichkeit ist das „Game“ der ‚PUAs‘ aber durch und durch sexistisch. Es nutzt die Ahnungslosigkeit des Gegenübers maßlos aus und funktioniert nur dann, wenn die strategischen Schachzüge geheim gehalten werden und für das weiblich gelesene „Target“ nicht als solche ersichtlich sind. Letztlich ist das „Game“ ein Strategiespiel, in welchem die Bedürfnisse und Willensäußerungen weiblich gelesener Personen nicht nur übergangen, sondern bewusst missachtet und manipuliert werden.

Es handelt sich hierbei um „ernste Spiele“ im Sinne des Soziologen Pierre Bourdieu (2), aus denen Frauen als Spielerinnen konsequent ausgeschlossen bleiben. Jene von Bourdieu analysierten ernsten Spiele werden nach dem Männlichkeitsforscher Michael Meuser in

„all den Handlungsfeldern gespielt, welche die Geschlechterordnung der bürgerlichen Gesellschaft als die Domänen männlichen Gestaltungswillens vorgesehen hat: in der Ökonomie, der Politik, der Wissenschaft, im Sport, in den religiösen Institutionen, im Militär […]“(3).

Sie dienen der Aufrechterhaltung, Stabilisierung und Verteidigung männlicher Dominanz. Kein Wunder also, dass ‚PUAs‘ aus ebendiesem Vokabular schöpfen, um ihren sexistischen Spielen Bedeutung zu verleihen.

Zum kompetitiven Leistungsvergleich in Online-Foren

Nachträglich niedergeschrieben werden die gesammelten Erfahrungen und vermeintlichen „Erfolge“ von ‚PUAs‘ häufig in einschlägigen Online-Foren (für den deutschsprachigen Raum sei hier bspw. das Pick Up Forum genannt) im Rahmen sogenannter „Field Reports“. ‚PUA‘-Foren stellen für die Szene zentrale Knotenpunkte dar, denn während ‚PUAs‘ in der Offline-Welt eher als Einzelkämpfer (oder in kleineren Gruppen) in Erscheinung treten, sind sie in Foren plötzlich mit den Bewertungen und Rückmeldungen der gesamten Szene konfrontiert. Ein kompetitiver Leistungsvergleich tritt hier also am eklatantesten zu Tage.

‚PUAs‘ bedienen sich in ihren „Field Reports“ einer überwiegend nüchternen Sprache, die sich in ein Gewand von Pseudo-Wissenschaftlichkeit kleidet und Emotionen durchgehend ausklammert. Jene Form der Sprachverwendung dient nach Sprachwissenschaftlerinnen Daria Dayter und Sofia Rüdiger sowohl der eigenen Distanzierung, als auch der Entpersonalisierung, Objektivizierung, Be- und Abwertung der unfreiwillig involvierten weiblich gelesenen Personen (4). „Field Reports“ sollen darüber hinaus einen Lerneffekt erzielen. Daher ist es wichtig, kein noch so kleines Detail auszulassen und Annäherungsversuche so präzise wie möglich wiederzugeben. Da sich die meisten Flirtsituationen und „Games“ von ‚PUAs‘ in einem Feld abspielen, dass sich einer intersubjektiven (also gegenseitigen) Überprüfbarkeit entzieht, sind es zudem gerade ihre sprachlichen „Kunstfertigkeiten“ und die geäußerten Details, die sie letztlich zu authentischen und als wahrhaftig empfundenen Erzählern machen.

Die Verwendung einer gemeinsamen Sprache ist also nicht nur ein szenetypisches Distinktionsmerkmal, welches das generelle Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken vermag, sondern auch eine Grundvoraussetzung dafür, dass die „ernsten Spiele“ überhaupt verhandel- und vergleichbar gemacht werden können und somit wettbewerbsfähig sind.

Böse Miene zum bösen Spiel!

Flirten geht anders! Verpisst euch ihr Arschlöcher!

Das sexistische „Game“ der ‚PUAs‘ ist zwar ein kollektives Unternehmen (mit dem Ziel des Erwerbs einer sogenannten „Alpha-Männlichkeit“) – es beruht gleichzeitig aber auch auf einem permanenten Konkurrenzdenken. Online wie offline erfolgt somit ein ständiges Sich-Messen und Gegeneinander-Antreten. Das erfolgreiche „Herumbekommen“ von Frauen dient dabei als zentraler Leistungsindikator, an hand dessen sich die eigene Spielleistung bemessen lässt. Gleichzeitig handelt es sich bei den manipulativen und sexistischen Verführungstechniken der ‚PUAs‘ aber auch um die wohl unmittelbarste Ausübung männlicher Dominanz. Wir sagen: Nicht mit uns! Flirten geht anders. Wie wir uns das schöne Leben für alle und eine Welt ohne Angst vorstellen, das könnt Ihr hier nachlesen.


Quellen

(1) Hinweise darauf, wie wir gendern findest Du in der Einleitung.
(2) vgl. Bourdieu, Pierre (1997): Die männliche Herrschaft. In: Drölling, Irene; Krais, Beate (Hg.): Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktionen in der sozialen Praxis. Frankfurt am Main, S. 153-217.
(3) Meuser, Michael (2001): Männerwelten. Zur kollektiven Konstruktion hegemonialer Männlichkeit. In: Schriften des Essener Kollegs für Geschlechterforschung 1(2), S. 5. (17.05.2018).
(4) Vgll. Dayter, Daria/Rüdiger, Sofia (2016): Reporting from the Field. The Narrative Reconstruction of Experience in Pick-up Artist Online Communities. In: Open Linguistics 2, S. 337–351.