Jedes Jahr dieselbe Scheiße! – unser Redebeitrag vom 20. März 2021

Wieder einmal werden wir wegen einer antifeministischen Veranstaltung wie dem heutigen sogenannten „Marsch fürs Leben“ mit der Frage konfrontiert: Was bedeutet linksradikale feministische Kritik für uns? 

Hierbei ist uns die Handlungsnotwendigkeit feministischer Intervention – diesen Fundischweinen nicht die Straße zu überlassen – klar. Gleichzeitig sind diese antifeministischen Arschlöcher aber auch Teil einer patriarchal strukturierten Gesellschaft. Aus diesem Grund reicht eine singuläre Kritik an selbsternannten christlichen „Lebensschützer*innen“ und  am christlichen Fundamentalismus nicht aus. Wir wollen eine Antwort auf die kapitalistisch-patriarchalen Zustände finden, mit denen wir tagtäglich konfrontiert sind!

Deshalb ist klar: Wir wollen den Fundis den Tag versauen! Wir wollen diese unsäglichen Paragrafen 218 und 219a abschaffen! Wir wollen Gewalt gegen Frauen, Queere, Trans-, Inter– und Non-binary-Personen ein für alle Mal beenden!

Das ist nur möglich, wenn wir die kapitalistisch-patriarchalen Zustände angreifen, um endlich eine Welt zu erreichen, in der wir ohne Angst verschieden sein können! Dies bedeutet selbstverständlich nicht in irgendeine Partei sei’s SPD, die Grünen oder die Linken einzutreten. Denn diese verwalten die Zustände eher als dass sie diese bekämpfen: es gilt die feministische Emanzipation voranzubringen. Denn seit Jahrhunderten kämpfen Frauen für ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung. An diese Kämpfe gilt es anzuknüpfen und dennoch etwas Neues zu schaffen. Ob in Argentinien oder der Türkei, ob in Polen oder im Iran, weltweit gehen Feminist*innen auf die Straße: gegen Feminizide gegen alltägliche Gewalt und  für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Die patriarchale Unterdrückung nimmt hierbei durchaus unterschiedliche Formen an – den Widerstand hingegen wollen wir auf eine gemeinsame Basis bringen.

Ein feministisches Wir

Es geht also um den Aufbau eines feministischen Wirs: Ein feminstisches Wir, das nach der Autorin Koschka Linkerhand aus einer Dialektik, also einem Spannungsfeld, zwischen Gleichheit und Differenz, also Unterschiedlichkeit, besteht. Gleichheit meint, dass wir alle – als Teile des feministischen Wirs – vom Patriarchat betroffen sind. Wir alle erleben eine schmerzvolle und totalitäre (1) Sozialisation. Totalitär deswegen, da es unmöglich ist, sich ihr ohne weiteres zu entziehen. Dennoch sind die Sozialisationserfahrungen bei jeder Person individuell (und) unterschiedlich. Während Transfrauen z. B. darum kämpfen,endlich als Frauen akzeptiert zu werden, wollen Cis-Frauen genau diese Zuschreibung möglicherweise loswerden. Auch Gewalterfahrungen können je nach gesellschaftlicher Sozialisation verschieden sein.

Doch es geht nicht darum, diese Erfahrungen gegeneinander auszuspielen, sondern sie als eine gesellschaftliche Realität anzuerkennen. Die Analyse sowohl der Unterschiede als auch der Gemeinsamkeiten, ermöglicht es uns, eine feministische Antwort zu formulieren. Diese Analyse soll weder Personen ausschließen, noch eine vollständige Identifikation der Personen mit ihren Identitäten zum Ziel haben.

Das Spannungsfeld kann nur auf Basis einer Analyse der sozio-ökonomischen Grundlagen des Patriarchats gedacht werden. Eine linksradikale Kritik an Religion und somit auch an christlichen Fundamentalist*innen, aber auch allen anderen antifeministischen Bestrebungen in der aktuellen Gesellschaft, muss also die kapitalistische Produktionsweise als eine Basis des Patriarchats angreifen: Heute erscheint diese Produktionsweise in der Form des Neoliberalismus, der immer weitere Vereinzelungen, Selbstoptimierungen und eine vollständige Identifikation mit der eigenen Lebensweise fordert. Er verschleiert Herrschaftsmechanismen, während die Bedingungen der Kapitalakkumulation weiterhin Bestand haben (2).

Eine feministische Antwort bedeutet also nicht, sich diesem notwendig falschen Bewusstsein hinzugeben, sondern eine feministische Bewegung aufzubauen, welche die Spannungsfelder verschiedener Inidividualitäten berücksichtigt und gewährleistet. Wir wollen eine Bewegung, welche diese Individualitäten im gemeinsamen antipatriachalen Kampf vereint. Wir sind Frauen, Lesben, Inter-, Trans- und Non-Binary-Personen, die diese Kategorien überflüssig machen wollen. Wir kämpfen für ein Leben, in welchem wir morgens stillen, mittags forschen, abends in den Himmel schauen, und nachts gemeinsam feiern.

Den Kampf gegen das Patriarchat können wir nur gemeinsam gewinnen und wir haben Bock auf kommende Kämpfe mit euch! Lasst uns heute die Fundischweine von der Straße fegen: Für die Einheit der Vielen ohne Zwang! Für den Feminismus! Alerta Alerta Antisexista! 

(1)Totalität bedeutet nach Adorno das die kapitalistische Gesellschaft – als das Ganze – alle Beziehungen des Menschen erfasst und damit Zwangscharakter hat, dem sich der Einzelne nicht entziehen kann bzw. sich nicht zu sich Selbst verhalten kann.

(2) Feministische Kritik am Patriarchat ist somit zwangsläufig auch eine Kritik an den bestehenden ökonomischen Verhältnissen, denn patriarchale Strukturen der Moderne sind historisch mit der kapitalistischen Produktionsweise verknüpft.