(F)antifa bleibt Handarbeit! Redebeitrag der Antifa Würzburg in Wunsiedel 2019

Bild: Endstation Rechts

Am 16. November waren wir in Wunsiedel, um gegen den erneuten Aufmarsch des III. Wegs dort zu demonstrieren.

Im Nachgang veröffentlichen wir mit freundlichster Genehmigung hier den Redebeitrag der Genossis von der Antifa Würzburg. Vielen Dank dafür! <3

Außerdem möchten wir dem Aktionsbündnis „Nicht lange fackeln“ Dankeschön für die Orga sagen und senden solidarische Grüße an alle, die mit uns auf der Straße waren.


Rechte Gewalt heißt immer auch Gewalt gegen Frauen (1).
Gewalt gegen LGBTIQ*.
Gewalt gegen PoCs.
Gewalt gegen Jüd*innen.
Gewalt gegen Muslima.

Diese Gewalt muss nicht immer körperlich sein. Psychische Gewalt kann mindestens genauso gefährlich sein wie körperliche. Diese geht aber nicht nur von Faschisten aus, sondern auch von Konservativen, von der „bürgerlichen Mitte“ und den Kirchen.

So viele Menschen, die aufgrund psychischen Terrors durch unsere ach so tolerante christlich-konservative Gesellschaft in den Selbstmord getrieben werden. Der III. Weg ist nur der Gipfel dessen, was sich schon lange im Nährboden unserer Gesellschaft ausbreitet. Im christlichen, kapitalistischen, weißen und cisheteronormativen Patriarchat sind Gleichberechtigung und Freiheit nicht zu erlangen. Im Gegenteil: wir sind weit davon entfernt und entfernen uns immer weiter. Die Grenze des ungestraft Sagbaren, hat sich in den letzten Jahren weit nach rechts verschoben. Völkisches Vokabular, offener Rassismus, Misogynie, Antisemitismus und Xenophobie: dank der AfD und Pegida ist der Hass gesellschaftstauglich geworden.

Doch auch CSU und Co. können sich hierbei nicht rausnehmen. Von Horst Seehofers verbalen Entgleisungen, bis zur Forderung nach ergebnisoffenen Gesprächen mit der AfD in Thüringen, biedert sich die Union seit jeher an die rechte Wählerschaft an. Die Verrohung der Sprache – insbesondere im Internet – ist eine Abwärtsspirale. Je mehr gehetzt wird, desto mehr wird darüber berichtet und desto normaler wird es. Dadurch senkt sich die Hemmschwelle und wir landen schließlich in der heutigen Zeit, in der ein Faschist mit Goebbels-Rhetorik in Thüringen fast ein Viertel der Stimmen erhält.

Natürlich möchte ich die Union und Konservative nicht mit Nazis gleichsetzen! Sie sind zwar Rassisten und Sexisten, aber keine Faschisten. Doch haben sie einen nicht unerheblichen Anteil an der aktuellen Situation.

Frauen sind – vor allem intersektionell gesehen – ganz besonders von rechter Gewalt jeglicher Coleur betroffen. Für Rechte symbolisiert das Muttersein das schönste und einzig wahre Frauenglück. Der III. Weg möchte Mutter gar als bezahlten Job einführen, da das Kind diese, in den ersten drei Jahren, angeblich besonders bräuchte. Ansonsten wären Entwicklungschädigungen und Verhaltensstörungen die Folge. Außerdem wären die ersten drei Jahre bei der Vermittlung von völkischen Werten die wichtigesten, weshalb dies – natürlich durch die Frau – geschehen müsse. Für sie sind Kitas heute nur dazu da, um Kinder möglichst früh mit wirtschaftlicher Propaganda zu indoktrinieren. Weil der „Volkstod“ verhindert werden soll, sind Kinder für die Partei ein Geschenk an die Familie und das Volk, weshalb ein sogenanntes „Ehestandsdarlehnen“ eingeführt werden soll. Dies verringert sich pro Kind um 25% und soll dadurch in jeder Familie zu mindestens vier Kindern führen. Außerdem soll das Kindergeld verdoppelt werden. Hiermit soll erreicht werden, dass Mütter, also die Frauen, mit den Kindern daheim bleiben, während der Mann ungestört seiner Karriere nachgehen kann.

Frauen werden also zu Gebährmaschienen degradiert und von ihren Männern abhängig gemacht. Wir sollen schön brav daheim an den Herd und Kinder kriegen, bis wir zu alt oder tot sind, denn Abtreibungen sollen nur bei schweren körperlichen und geistigen Störungen des Kindes erlaubt werden. Das Leben der Frau ist hierbei völlig egal. Frauen, die für sexuelle Selbstbestimmung und das Recht auf ihren Bauch eintreten, seien sogar als „Gegner“ anzusehen. „Zur Erhaltung der Volksgesundheit und Lebenstüchtigkeit des einzelnen Menschen sind erbhygienische Maßnahmen gesetzlich zu regeln“, heißt es weiter im Programm des III. Wegs. Selbstverständlich braucht es auch Vater, Mutter, Kind um das Überleben zu sichern. Deshalb soll es keine „Aufwertung sexueller Randgruppen“ z.B. von Homosexuellen geben und diese nicht durch Steuergelder oder mediale Aufmerksamkeit unterstützt werden. Die „Ehe für alle“ soll rückgängig, die „Gendermainstreams-Ideologie“ gestrichen werden. Homo- und Transfeindlichkeit gehören neben Rassismus, Antisemitismus und Misogynie zu den Grundpfeilern rechter Ideologie.

Wir befinden uns in einer Zeit, in der der Hass und die Gewalt immer weiter zunehmen. Rechte verbreiten ihre menschenverachtenden Ansichten, bombardieren ihre politischen Gegner mit Hassmails und Morddrohungen oder greifen – wie im Falle Walter Lübcke – zur Waffe. Der antisemitische Anschlag von Halle ist ebenfalls noch nicht lange her. Auch durch Wunsiedel sind bereits Terroristen marschiert, der III. Weg bezieht sich offenkundig auf den Nationalsozialismus, doch die Gesellschaft schaut lieber weg.

Etwa 1 Kilometer von der Naziroute entfernt, feiern Bürgis ein Straßenfest. Wunsiedel sei bunt. Das einzige jedoch, das sie mit ihrer Art des Protests erreichen, ist ihr eigenes Gewissen reinzuwaschen. Denn die Faschisten können ungestört aufmarschieren. Dabei ist der 9. November, der Jahrestag der Reichspogromnacht, erst eine Woche her. Es ist der Tag, der uns allen drastisch vor Augen führen muss, dass auf Worte Taten folgen. Doch von nichts gewusst zu haben, hat in Deutschland ja schon Tradition.

Wir sind heute hier, weil Neonazis durch Wunsiedel marschieren. Das tun sie schon seit Jahren, doch der Protest dagegen war stets kaum existent. Dieses Jahr ist das anders. Dieses Jahr stehen wir hier! Dieses Jahr zeigen wir ihnen, dass hier kein Platz für Faschos ist.

Antifa bleibt Handarbeit, deshalb kein Fußbreit dem III. Weg!


Die Genoss*innen von der Antifa Würzburg findet Ihr hier:


(1) Wir verwenden das Wort „Frauen“ ohne Sternchen oder andere sprachliche Hilfsmittel. Wir wollen Cisnormativität, also die Darstellung von Cisgeschlechtlichkeit als Norm und trans- bzw. intergeschlechtlichkeit als Abweichung, und Geschlechterbinärität natürlich überwinden und die Schreibweise mit Sternchen sollte zeigen, dass Transfrauen mit einbezogen werden. Jedoch wird mit dem Sternchen impliziert, dass sie eigentlich keine „richtigen“ Frauen sind. Das finden wir keine gute Lösung. Darum Frauen, ohne Sternchen,   fertig.