Ein Blick auf 2021: Die Straße nicht den Fundis überlassen!

Hast Du Dir schon einmal die Frage gestellt, was Du tust, solltest Du jetzt ungewollt schwanger werden? Wüsstest Du was zu tun ist?

Viele beantworten diese Fragen mit nein und sind sich nicht darüber im Klaren, dass ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland eigentlich strafbar ist (1)! Bist Du ungewollt schwanger und willst Dich nicht strafbar machen, dann musst Du erst einmal über einige Stöckchen springen. Die aktuelle Gesetzeslage sieht nämlich vor, dass Du Dich in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle beraten lassen musst, dort erhältst Du einen Beratungsschein sowie Adressen von Ärzt*innen, die den Abbruch vornehmen. Welche Methode sie dabei anwenden musst Du telefonisch erfragen, denn auf ihren Webseiten dürfen sie das laut Gesetz nicht veröffentlichen (2). Nach der Beratung will der Gesetzgeber, dass Du nochmal drei Tage wartest und auch wirklich darüber nachdenkst, ob Du den Eingriff willst. Derweil tickt die Uhr, denn Schwangerschaftsabbrüche sind in der Regel nur bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei.

Klingt bevormundend und stressig? Ist es auch.

Noch ekliger wird es, wenn Du im Zuge dieses Prozesses mit radikalen Abtreibungsgegner*innen zu tun hast. Die Gefahr, dass Dir das passiert, ist in München relativ hoch. Denn allein im Stadtgebiet gibt es jedes Jahr rund 20 Veranstaltungen selbst ernannter „Lebensschützer*innen“. Mit ihren Gebetsmärschen, Kundgebungen, Demonstrationen und Mahnwachen setzen sie ungewollt Schwangere, medizinisches Fachpersonal und Berater*innen unter Druck.

Mit Blick auf 2021 ist nicht zu erwarten, dass diese antifeministischen Aktivitäten weniger werden – im Gegenteil. Bereits im Januar starteten die „Helfer für Gottes kostbare Kinder“ wieder mit ihren monatlichen Gebetsmärschen. Im Februar ist eine erneute Mahnwache von „40 Tage für das Leben“ zu erwarten und im März soll der erste „Marsch fürs Leben“ in München stattfinden. Zudem wird es voraussichtlich auch dieses Jahr wieder einen „1000 Kreuze Marsch“ im Mai oder Oktober geben. Als ob das nicht reicht, plant die „Jugend für das Leben“, die Jugendorganisation der „Aktion Lebensrecht für Alle“ ihre „Pro Life Tour“, eine Art Sommerprogramm für Nachwuchsabtreibungsgegner*innen, am 30. Juli in München zu starten.

Nährboden für Antifeminist*innen

Die vielfältigen Aktionen radikaler Abtreibungsgegner*innen, haben zur Folge, dass bundesweit immer weniger Ärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche durchführen. In Bayern ist es besonders düster, wie die Karte vom KATAPULT Magazin zeigt (3). Auch in München ist die Versorgungslage mittelfristig nicht gesichert, wie ein Stadtratsbeschluss Ende 2020 zeigt. Das Problem ist, dass es kaum jemanden zu stören scheint. Die Anmeldebehörde (KVR) feiert sich vielmehr für die „gute Zusammenarbeit mit den Veranstaltern“ (mehr Informationen), die Landesregierung sieht keinen Handlungsbedarf.

Eine Gesellschaft in der jeder vierte Mann und jede zehnte Frau über ein geschlossen antifeministisches Weltbild verfügt (4), bietet den idealen Nährboden für menschenfeindliche, antidemokratische Strukturen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass immer neue „Lebensschutz“-Vereine und Initiativen wie Unkraut aus dem Boden sprießen. Eine kleine Auswahl der Münchner Gruppierungen.

„40 Tage für das Leben“

Seit 2016 stehen christlich-fundamentalistische Abtreibungsgegner*innen der Initiative „40 Tage für das Leben“ vor Pro Familia und/ oder dem Medicare Zentrum in Freiham. Mit Schildern und Gebeten stehen sie gezielt an den Orten, an denen ungewollt schwangere Menschen Hilfe und Unterstützung suchen. Die vermeintlich friedlichen Gebete und Gesänge sind daher als gezielter Angriff auf das Recht auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung zu werten.

Stand heute ist davon auszugehen, dass die Fundis auch im Februar erneut Mahnwachen vor der Stapf-Klinik in Freiham durchführen werden.

„Helfer für Gottes kostbare Kinder“ & „EuroProLife“

Genauso sind die Aktivitäten der Gruppierungen „Helfer für Gottes kostbare Kinder“ & „EuroProLife“ zu werten. Mit ihren monatlichen Gebetsmärschen zu Kliniken und der Pro Familia Beratungsstelle sind sie die am häufigsten in Erscheinung tretende Gruppierung in München.

Am 25. Januar begannen sie wieder mit ihren monatlichen „Vigilien“, im Mai oder Oktober ist mit dem „1000-Kreuze-Marsch“ zu rechnen.

„Stimme der Stillen“

Stimme der Stillen“ ist ein Verein, der sich im Sommer 2020 gründete und den ersten öffentlichen Auftritt provokant am „International Safe Abortion Day“ (28. September 20) hatte. Die Vorsitzenden des Vereins stammen aus dem Dunstfeld von „40 Tage für das Leben“ und haben Verstrickungen in die CSU sowie erzkatholische Kreise. Mit dem geplanten Marsch für das Leben am 20. März 2021 kommt eine weitere große Mobilisierung radikaler Abtreibungsgegner*innen in München hinzu.

Gemein ist ihnen allen, dass sie angeben „für das Leben“ zu sein. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ein Verbot von Abtreibungen würde dazu führen, dass noch mehr Menschen ihr Leben verlieren, weil sie keinen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen haben. Bereits heute sterben laut WHO jährlich mindestens 22.800 Menschen in Folge eines unsachgemäß durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs (5), sieben Millionen erleiden schwerwiegende gesundheitliche Folgen (6). ​​​​​​​

Die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche liegt in Deutschland recht stabil bei rund 100.000 Abbrüchen pro Jahr und das wird wohl auch langfristig so bleiben. Denn wo Menschen Sex haben, da werden Menschen nun einmal (ungewollt) schwanger. Die Frage, die Politik und Gesellschaft beantworten müssen, ist daher, ob sie wollen, dass Menschen, die schwanger werden können, legal und gut versorgt abtreiben können, oder ob sie diese illegal und unsicher selbst durchführen.

Alerta Feminista!

Während der Druck von rechts und ganz weit rechts zunimmt, sind es in München in erster Linie feministische, antifaschistische Aktivist*innen, die mit ihren Aktionen versuchen, auf die sich zuspitzende Situation aufmerksam zu machen und für Selbstbestimmung und reproduktive Rechte kämpfen. Mit ihrer Arbeit wollen sie Aufmerksamkeit auf ungewollt Schwangere, Ärzt*innen und Berater*innen lenken, die dem ständigen Terror der Abtreibungsgegner*innen und ihrer Helfershelfer*innen in den Parlamenten hilflos ausgesetzt sind.

Es ist Zeit, dem rechten Treiben ein Ende zu setzen. Beteiligt Euch auch 2021 an unseren Protesten und zeigt klare Kante gegen jede Art von Antifeminismus.

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Quellen und weiterführende Informationen

  1. Paragraf 218 StGB
  2. Paragraf 219a StGB
  3. Katapult-Magazin
  4. Leipziger Autoritarismus-Studie 2020
  5. Gutmacher Report 2017
  6. Fact-Sheet zu Abtreibungen der Weltgesundheitsorganisation