Anlässlich der Mahnwache radikaler Abtreibungsgegner*innen von „40 Tage für das Leben“ seit dem 26. Februar haben wir einen Aufruf zum Widerstand gegen radikale „Lebensschützer*innen“ verfasst, denn es braucht mehr Widerstand. Ihr wollt selbst aktiv werden?
Aktualisierung: Nach unseren Informationen stehen die Fundamentalist*innen aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht mehr vor dem medicare-Zentrum.
Ladet Euch diesen Flyer hier herunter, druckt ihn aus und verteilt ihn.
Mindestens 20 Veranstaltungen radikaler Abtreibungsgegner*innen gibt es in München jedes Jahr. Mehrheitlich handelt es sich dabei um Mahnwachen und Prozessionen vor Beratungsstellen und Kliniken in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.
Rückhalt erfahren die Abtreibungsgegner*innen von parlamentarischer Seite, in erster Linie aus den Reihen der CSU und der AfD und auch gesellschaftlich ist das Thema Abtreibung noch mit einem Stigma behaftet. Die Folgen sind eine Verschlechterung der Versorgungslage für ungewollt Schwangere, psychischer Druck und Belastung bei Betroffenen. Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen und darüber informieren möchten, werden angezeigt und vor Gericht gestellt.
Der Widerstand gegen diese Veranstaltungen und die dort transportierten Inhalte wird derzeit fast ausschließlich von (queer-)feministischen Gruppen und Aktivist*innen getragen.
Mahnwachen als politisches Mittel
Seit Ende Februar stehen christliche Fundamentalist*innen von „40 Tage für das Leben“ (1), einer Gruppe radikaler Abtreibungsgegner*innen, wieder vor dem Medicare-Zentrum in Freiham. Die Gruppierung stammt ursprünglich aus den USA und ist seit 2016 in München aktiv. Immer im Frühjahr und Herbst stehen sie mit ihren Schildern und Bannern vor Kliniken oder Beratungsstellen und beten im Schichtsystem für das „ungeborene Leben“.
Bis zum 5. April – also insgesamt 40 Tage lang – werden sie vor der Klinik stehen, in der Abbrüche durchgeführt werden. Beten könnten sie überall, doch Abtreibungsgegner*innen positionieren sich gezielt an den Orten, an denen ungewollt schwangere Menschen Hilfe und Unterstützung suchen. Die vermeintlich friedlichen Gebete und Gesänge sind daher als gezielter Angriff auf das Recht auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung zu werten. (3)
„Für das Leben“?
Abtreibungsgegner*innen geben an „für das Leben“ zu sein und bezeichnen sich selbst als „Lebensschützer“. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Ein Verbot von Abtreibungen würde dazu führen, dass noch mehr Menschen ihr Leben verlieren, weil sie keinen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen haben. Bereits heute sterben laut WHO jährlich mindestens 22.800 Menschen in Folge eines Schwangerschaftsabbruchs (4), sieben Millionen erleiden schwerwiegende gesundheitliche Folgen (5).
Die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche liegt in Deutschland recht stabil bei rund 100.000 Abbrüchen pro Jahr und das wird wohl auch langfristig so bleiben. Denn wo Menschen Sex haben, da werden Menschen nun einmal (ungewollt) schwanger. Die Frage die Politik und Gesellschaft beantworten müssen ist daher, ob sie wollen, dass Menschen die schwanger werden können legal und gut versorgt abtreiben können, oder ob sie sich illegal und unsicher in die Hände von Kurpfuschern begeben müssen.
Die CSU sieht „keine Veranlassung zum Handeln“
Das Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) schreibt in Paragraf 13 Absatz 2 fest, dass die Länder ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicherstellen müssen. Eine Anfrage der Linkspartei zur Sicherstellung der Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen zeigte kürzlich, dass sich die Situation vor allem in Bayern zuspitzt (6). Hier kommen auf knapp 140.000 Menschen eine Stelle – also Krankenhaus, Arztpraxis oder gemeinschaftliche Ambulanz – in der Abbrüche durchgeführt werden können. Damit ist der Freistaat gemeinsam mit Rheinland-Pfalz Schlusslicht im bundesweiten Ranking. Was das bedeuten kann erleben ungewollt Schwangere tagtäglich in Niederbayern, wo es derzeit nur noch einen Arzt gibt, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Obwohl die Versorgungslage nachweislich immer schlechter wird, sieht die bayerische Staatsregierung „keine Veranlassung zum Handeln“ (7).
Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die „Christlich Soziale Union“ einige entschiedene Abtreibungsgegner in ihren Reihen hat. Viele von ihnen sind in der von Unionsmitgliedern 1985 gegründeten Initiative „Christdemokraten für das Leben“ (CDL) organisiert. Deren erklärtes Ziel ist es, den Paragraphen 218 weiter zu verschärfen und „Abtreibungen zu stoppen“ also wieder unter Strafe zu stellen (8). Prominenteste Unterstützer sind aktuell Jens Spahn und Philipp Amthor.
Vereint im Geiste ist die CSU beim Thema Schwangerschaftsabbruch mit der „Alternative für Deutschland“. Mit einer Anfrage an die bayerische Staatsregierung wollte die Rechtsaußen-Partei im vergangenen Hebst herausfinden, wer, wann, wo, warum und wie einen Schwangerschaftsabbruch durchführt. Die Antwort fiel sehr ausführlich aus und ergab unter anderem, dass die Anzahl der zugelassenen Ärzte, die theoretisch einen Schwangerschaftsabbruch durchführen könnten, abgenommen hat (9).
Druck und Gegendruck
Während der Druck von rechts und ganz weit rechts zunimmt, sind es in München in erster Linie (queer-)feministische, antifaschistische Aktivist*innen, die mit ihren Aktionen versuchen auf die sich zuspitzende Situation aufmerksam zu machen und für Selbstbestimmung und reproduktive Rechte kämpfen. Mit ihrer Arbeit wollen sie Aufmerksamkeit lenken auf ungewollt Schwangere, Ärzt*innen und Berater*innen, die dem ständigen Terror der Abtreibungsgegner*innen und ihrer Helfershelfer*innen in den Parlamenten hilflos ausgesetzt sind.
Quellen und weiterführende Informationen:
- Hintergrundinformationen zu „40 Tage für das Leben“
- Quelle: Facebookseite „40 Tage für das Leben“ (zuletzt abgerufen: 1. März 2020, 14:04 Uhr)
- Mehr zu radikalen Abtreibungsgegner*innen in München auch in dieser Zündfunk-Sendung.
- Gutmacher Report 2017
- Fact-Sheet zu Abtreibungen der Weltgesundheitsorganisation
- Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linkspartei zur Sicherstellung der Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen
- Artikel in der taz „Immer weniger Ärzt*innen“ (zuletzt abgerufen: 1. März 2020, 13:36 Uhr)
- In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraf 218a Strafgesetzbuch noch immer eine Straftat. Nur wenn sich ungewollt Schwangere einer Pflichtberatung unterziehen dürfen sie nach einer dreitägigen Wartefrist den Abbruch vornehmen lassen. Dabei darf die 12. Schwangerschaftswoche nicht überschritten sein.
- Bayerische AfD bläst zum Angriff auf reproduktive Selbstbestimmung.