„Reclaim the Streets“ – Einladung zur feministischen Demo am 30. April 22

Angriffe, Vergewaltigungen oder Morde. Gewalt gegen FLINTA* ist weltweit furchtbarer Alltag. Unter dem Motto „Reclaim the Streets“ nehmen wir uns darum am 30. April 2022 ab 19 Uhr die Münchner Straßen, um der Ohnmacht und Angst für eine Nacht ein Schnippchen zu schlagen. Hier ist unser Aufruf zu den Protesten.

Reclaim the streets. Den sexistischen Normalzustand wegfegen!

Seit den 1970ern ist der 30. April der Tag, an dem Frauen, trans Personen und queere Menschen auf die Straße gehen, um gegen patriarchale Gewalt zu demonstrieren. Bei den sogenannten Walpurgisnachtdemos versammelten sich ursprünglich Feminist*innen zu Nachtdemos an Orten, an denen zuvor Frauen überfallen, vergewaltigt und ermordet worden waren. Hierbei bemächtigten sie sich der Sage der tanzenden Hexen in der Walpurgisnacht und kamen nicht selten kostümiert und mit Besen bewaffnet auf die Straße, um den öffentlichen Raum zurückzuerobern. Wir wollen an diese Kämpfe anknüpfen und bereits den Vorabend des ersten Mai emanzipatorisch einläuten, denn, „der Zweck der Revolution ist die Abschaffung der Angst“.

Nichts hat sich geändert 

Auch wenn mit Beginn der kapitalistischen Moderne Hexenverfolgungen und Verbrennungen der Vergangenheit angehören, ist die Angst im sexistischen Normalzustand, in dem wir leben, weiterhin existent. Die Angst, die für uns als Frauen, als trans Personen oder als queere Menschen Alltag in der  patriarchalen Gesellschaft ist. Eine Angst, die trotz Me-Too, Gleichstellungsbeauftragten in Behörden oder feministischen Sprüchen auf T-Shirts großer Modemarken immer noch vorhanden ist. Eine Angst, die tödlich sein kann: Jedes Jahr gibt es unzählige Übergriffe auf Personen, die nicht in das gesellschaftlich verankerte Bild der Binarität passen. Jeden Tag leben trans Personen mit Angst, aufgrund ihres trans Seins angegriffen und verletzt zu werden. Jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner ermordet.

Zusätzlich herrscht ein öffentlicher Diskurs vor, in welchem solch grausame Taten nicht als das betitelt werden, was sie sind – nämlich patriarchale Gewalt – sondern heruntergespielt, umgedreht oder belächelt werden. So ist nach Femiziden häufig die Rede von „Eifersuchtsdramen“ oder „Familienstreitigkeiten“, was mitunter suggieriert, die betroffene Person wäre mitschuldig am Geschehen. Oder der Partner habe aus Liebe gehandelt. Was das für eine Liebe sein soll, wird nicht weiter hinterfragt.

Weiterhin werden die Ängste von Frauen, Queers und trans Personen sich im öffentlichen Raum zu bewegen in den sozialen Medien lächerlich gemacht. Etwa wenn ein Post millionenfach geliked wird, in welchem die Panik einer Frau nachts alleine auf dem Nachhauseweg von einem Mann verfolgt zu werden als Witz verkauft wird.

Die Angst hat einen Namen: Sexistischer Normalzustand 

Diese patriarchale Gewalt ist nicht zufällig und auch kein Abfallprodukt der Gesellschaft, das versehentlich aus dem Ruder gelaufen ist. Sie dient dazu, die gesellschaftlichen Bedingungen aufrecht zu erhalten. Nicht zufällig werden Frauen genau dann Opfer von „häuslicher Gewalt“, wenn sie versuchen,  aus den Zwängen einer Beziehung zu befreien und sich von einem Partner zu trennen. Nicht zufällig dienen Angriffe auf trans Personen und queere Menschen dazu, die gesellschaftlich verankerte Binarität der Geschlechter um jeden Preis aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Eine Binarität, die dem warenförmigen Patriarchat als Herrschaftsverhältnis zugrunde liegt: Das kapitalistische Patriarchat verbindet die Prinzipien der Kapitalakkumulation mit dem Geschlechterverhältnis. Was bedeutet, dass in der historischen Entwicklung der arbeitsteiligen Gesellschaft die Männer ihre Arbeitskraft zu Markte tragen, während die Frauen die Reproduktionsarbeit übernehmen. So ist die vorhandene Geschlechterhierarchie tief ins Mark des Kapitalismus eingeschrieben.

Sich gegen die Geschlechterhierarchie und der damit einhergehenden Gewalt zur Wehr zu setzen, bedeutet also auch die kapitalistischen Zwänge abzuschaffen, in denen sich die patriarchalen Zustände immer wieder reproduzieren.

Die Gewalt kommt immer von denselben

Auch Personen, die vom Patriarchat betroffen sind, sind nicht frei von diesem und reproduzieren die gesellschaftlichen Zwänge ebenso weiter. Dennoch ist es notwendig auch diejenigen zu benennen, die von diesen Zuständen profitieren und von denen die Gewalt ausgeht: Die patriarchale Gewalt kommt von männlichen Tätern. Das war historisch so und das ist noch immer so. Diese Täterschaft reicht von staatlichen Institutionen bis zu Burschenschaften. Sie reicht von rechten und konservativen Parteien bis zur Incel-Bewegung und der Ideologie, dass ein Mann Anrecht und Besitzansprüche gegenüber der Frau hat. Die Gewalt ist sowohl subtil als auch direkt. Sie ist sowohl strukturell als auch individuell.

Unsere Antwort: kollektive Solidarität 

Diese patriarchale Gewalt führt dazu, dass wir uns als Frauen, trans Personen und Queers nicht sicher fühlen können und Angst haben müssen allein in dieser Gesellschaft zu existieren. Eine Angst, die lähmend sein kann. Eine Angst, die vereinzelt. Eine Angst, die uns mitunter gegeneinander aufbringt. Wir können dieser Angst aber nur kollektiv begegnen: Indem wir uns zusammenschließen und uns die Straße zurück erkämpfen. Indem wir uns nicht mehr einreden lassen friedvoll zu sein. Indem wir wütend sind und diese Wut nicht gegen uns selber richten, sondern als Aggression gegen die Täter und Zustände die sie produzieren.

Kommt mit uns auf die Straße um den sexistischen Normalzustand wegzufegen.

Für den Feminismus!

Für die Einheit der Vielen ohne Zwang!

Für die befreite Gesellschaft!