Unser Redebeitrag vom Straßenfest am 7. August 21

Am 7. August 2021 organisierte das Kafe Marat erneut ein sehr fantastisches Straßenfest in der Zenettistraße. Die Cops nervten, aber wir hatten trotzdem Spaß. Für alle, die nicht dabei sein konnten, veröffentlichen wir hier unseren Redebeitrag zu ‚Pick-Up-Artists‘:

Jedes Jahr die selbe Scheiße! Jedes Jahr werden wir als Antisexist*innen mit antifeministischen und reaktionären Akteur*innen konfrontiert, die uns das Leben schwer machen. Während es im vergangenen März etwa der Aufmarsch von christlichen Fundamentalist*innen war, bei dem diese alljährlich gebetsmühlenartig ihren religiösen Irrsinn von sich geben und dabei von außer Rand und Band geratenen Cops tatkräftig unterstützt werden – welche sich hier schon mal Flammenwerfer gegen Feminist*innen herbei gewünscht haben – sind es nun Männerbünde – sogenannte ‚Pick-Up-Artists‘ – die aktuell durch die Münchner Straßen ziehen und Frauen belästigen.

Am Wochenende des 21./22. August veranstaltet der selbsternannte ‚Verführungskünstler‘ Matthias Pöhm erneut sein ‚Pick Up‘-Seminar „Männlich wirken-natürlich flirten“, bei dem er anderen Männern versucht beizubringen, wie sie Frauen möglichst schnell ins Bett bekommen. Bei solchen Seminaren ziehen die Teilnehmer mitunter durch die verschiedenen Parks und die Innenstadt in München und wenden ihre sogenannten ‚Verführungstechniken‘ an. Was nichts anderes bedeuetet als sexistisches und übergriffiges Verhalten gegenüber den Frauen, die das Pech haben, ihnen über den Weg zu laufen. Selbstverständlich geht es den Veranstaltern hierbei kein bisschen um Einvernehnlichkeit und Konses, sondern darum sich das zu nehmen was Mann als Mann vermeintlich zusteht: Die Frau als Objekt der Begierde.

Bei ‚Pick-up-Artists‘ handelt es sich um eine Community von Männern, die das Ziel verfolgen, systematisch Frauen „aufzureißen“ und diese  durch vermeintlich erlernbare Techniken –  auch gegen ihren Willen – gefügig zu machen. Dabei bietet die antifeministische Einstellung, Frauen seien nichts anderes als Sexobjekte, gepaart mit der Vorstellung, sich die verloren-geglaubte männliche Souveränität wieder zurück zu holen, einen Einstiegspunkt in die sogenannte ‚PUA‘-Szene.

Die Ideologie der ‚Pick-up-Artists‘ beruht auf einem eindimensionalen und biologistisch argumentierendem Frauenbild, bei welchem den Frauen ein natürlicher Wunsch nach Reproduktion zugesprochen und eine selbständige Sexualität und Handlungsmacht abgesprochen wird. Durch diese Vorstellung werden die manipulativen Aufreißmethoden und die damit verbundenen Macht- und Erniedriegungstaktiken gerechtfertigt. In der Praxis bedeutet dies für die betroffenen Frauen ganz konkret sexualisierte Gewalt: So rufen ‚PUAs‘ mitunter dazu auf, Frauen ungefragt zu berühren und zu küssen.

Jedoch geht es den selbsternannten ‚Pick-Up-Artists‘ beim Erlernen und Ausüben ihrer sexistischen Verführungspraktiken nicht nur um die sexuelle „Eroberung“ von Frauen, sondern auch um den Erwerb einer bestimmten Form von Männlichkeit – einer sogenannten „Alphamännlichkeit“ – mit welcher versucht wird den eigenen Selbstwert gegenüber Männern außerhalb der Szene zu steigern. Sexueller Ruhm und das Gefühl von männlicher Überlegenheit gehen nach dieser Logik Hand in Hand.

Aber nicht nur das: Die Ideologie der ‚Pick-Up-Artists‘ ist zwar bereits an sich widerlich und sexistisch, beinhaltet jedoch – genau wie die der extremen Rechten – einen mit Antifeminismus gepaarten Antisemitismus und Rassismus. So ist es vom Feindbild des Feminismus, der Männer angeblich unterdrücke und kleinhalte, oft nicht weit zu anderen damit und miteinander verbundenen menschenverachtenden Ideologien. Die Imagination eines Feminismus, der ein durch eine Elite gesteuertes Projekt sei, die Interpretation von Gleichberechtigung als Angriff auf eine vermeintlich „natürliche“, also völkische Ordnung, sowie die Bewertung von Migration von vermeintlichen Muslimen als eine drohende Gefahr für den westlichen Mann und die nationale Souveränität dürften als Beispiele genügen wie gefährlich und radikal die Ideologie der ‚PUA‘-Szene ist.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass es ganz konkrete Verstrickungen der ‚PUA‘-Szene mit der extremen Rechten gibt: Ein extremes Beispiel hierfür ist die enge Überschneidung der ‚PUA‘-Szene mit der Alt-Right-Bewegung in den USA.

So zeigt sich, dass ‚Pick-Up-Artists‘ und ihre Ideologie nicht verharmlost und unterschätzt werden dürfen. Vielmehr geht es darum, diese Sexisten aus der Deckung zu holen und ihnen wo immer möglich die Tour zu versauen. Konkret in München sind derzeit mindestens fünf dieser Arschlöcher unterwegs: Charly Imsel,  Daniel Karnatz, Matthias Pöhm, Michel Vincent und selbsternannte Coaches von Royal Campus. Darum rufen wir dazu auf, die Augen offen zu halten und gegebenenfalls auch einzugreifen. ‚PUAs‘ sind manchmal allein unterwegs, manchmal aber auch in Gruppen.

Wir fordern ein Ende der Verharmlosung von der Gewalt und der Gefahr, die von der ‚Pick-Up-Artist‘-Szene ausgeht. Es braucht eine breite Auseinandersetzung mit den Akteuren, ihren Maschen (und ihrer Ideologie).

Bis das Thema gesamtgesellschaftlich bearbeitet wird, sehen wir als Antisexistische Aktion München es als eine unserer Aufgaben, das Thema sichtbar zu machen. Hoffentlich püntklich zu Pöhms Seminar veröffentlichen wir deswegen ein umfangreiches Zine mit Informationen zu den Akteuren in München und ihren Techniken, ihrer Ideologie, ihrem Frauenbild, vielem mehr sowie Tipps wie damit umgegangen werden kann.

Wir fordern alle dazu auf sich kritisch mit der Ideologie auseinanderzusetzen, sich in Bündnissen mit solidarischen Personen zusammenzuschließen und zu vernetzen, um gemeinsam gegen diese patriarchale Gewalt vorzugehen und für ein Leben frei von manipulativen Aufreißern zu kämpfen.